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GLEICHSTELLUNG

Gleiche Arbeit - gleicher Lohn

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

Energetische Sanierung von Altbauten

Hamburg ist lebenswert und vielfältig. Neben den prägenden Konturen der inneren Stadt, der weithin sichtbaren Kirchtürme, des Wallrings und der Läufe von Alster und Elbe ist auch das architektonische Erbe Hamburgs facettenreich. Hamburgs Backsteinerbe gilt es dabei ebenso zu erhalten und zu sanieren wie das sogenannte "weiße Hamburg" oder die Viertel, die bauhistorisch in der Epoche der Historismus entstanden sind. Besonders kennzeichnend ist der Baustil durch die Nachahmung verschiedener historischer Baustile wie zum Beispiel der Romanik, Gotik, der Renaissance, des Barock, des (Neo-) Klassizismus und des Rokokos. Neben zahlreichen Bürgerhäusern ist zum Beispiel auch das Hamburger Rathaus dieser Epoche zuzuordnen. Sprach man bisher allgemein von Baumeister:innen, so vollzog sich damals die Differenzierung und Trennung der Berufsgruppen der Architekt:innen sowie Ingenieur:innen.

In Hamburg sind viele beliebte Quartiere in ihrer Bausubstanz durch diese Zeit geprägt. Zum Beispiel viele Gebäude in Eppendorf, Hoheluft, Harvestehude, Eimsbüttel, dem Grindel- und Schanzenviertel oder auch am Kalischer Platz in Harburg wurden damals im Stil des Historismus in Blockrandbebauung errichtet. Die ursprünglich in den meisten Teilen dörfliche Fachwerkbebauung verschwand damals. Die neuen Viertel sind durch die in der industriellen Revolution ermöglichten Ziegelbauweise entstanden. Die Stadtteile wurden nach und nach eingemeindet und in unterschiedlicher Ausprägung beliebt beim neuen Bürgertum. Umgangssprachlich wird oftmals von "Gründerzeitvierteln" gesprochen. Der Begriff der Gründerzeit bezog sich zeithistorisch jedoch auf die Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs im Zuge der Industrialisierung im Deutschen Reich.

Gleichwohl hatte diese Epoche große Auswirkungen auf das Wachstum der Städte und damit auch auf den Städtebau und die urbane Entwicklung. 1871 ergab eine Volkszählung, dass Hamburg 240.251 Einwohner:innen hat. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde Hamburg Millionenstadt und war städtebaulich mit den Nachbarstädten Altona und Wandsbek zusammengewachsen. Viermal so viele Einwohner:innen brauchten Wohnraum. Viele arme Hamburger:innen verloren damals ihr Zuhause und mussten sich ohne staatliche Unterstützung eine neue Bleibe, teilweise weit vor den Toren der Stadt, suchen (z. B. beim Bau der Speicherstadt). Die bedeutende sozialstaatliche Wohnungspolitik wurde erst in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts forciert. In der Kaiserzeit engagierten sich für den sozialen Wohnungsbau wenn dann Unternehmer:innen sowie Genossenschaften und gemeinwohlorientierte Organisationen wie Stifte und die Kirchen.

Die Gebäude aus dieser Zeit beleben heute das Stadtbild durch Stuckfassaden sowie ihre ausladenden Ornamente und andere aufwendigen Verzierungen. Deshalb wird heute dem Verlust von historisch wertvollen und ästhetischen Altbaufassaden richtigerweise durch verschärfte Gesetze zum Denkmalschutz entgegengewirkt.

Die Gebäude sind als massive Mauerwerksbauten solide konstruiert. Charakteristisch sind Außenwände aus Vollziegelwänden, Holzbalkendecken in den Obergeschossen und Stahlträgerdecken über dem Kellergeschoss. Diese Konstruktionen sind jedoch isolationstechnisch alles andere als optimal: die dicken und massiven Mauerwerkssteine heizen sich im Sommer stark auf und strahlen die gespeicherte Wärme auch nachts nach innen ab. Im Winter lassen sie die Innenwärme jedoch verlustfrei nach außen entweichen.

Damit auch die vor 1919 errichteten Gebäude mit guten Wärmedämmwerten ausgestattet werden können, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren, ist die Dämmung von Innen der einzige Weg, und er ist technisch möglich:

Auch bei diesen Gebäuden lassen sich, selbstverständlich unter Beibehalt der historischen Fassaden, erhebliche Verbesserungen des Wärmeschutzes erzielen, u. a. durch Innendämmungen an den Frontfassaden, Außendämmungen an Rückfassaden sowie Dach- und Kellerdeckendämmungen.

Eine nachträglich aufgebrachte Innendämmung bei historischen Gebäuden kann aber gravierende Folgen haben. Kritisch ist hierbei insbesondere die sogenannte Taupunktverschiebung in den Außenwänden. Technisch ist dieses Problem zu lösen. Die Maßnahmen müssen aber sehr sorgfältig ausgeführt werden, damit Undichtigkeiten nicht zu Feuchteschäden führen. Außerdem müssen die richtigen Baustoffe zum Einsatz kommen. Trotz der genannten Problematik ist eine Innendämmung bei historischen Fassaden nicht zu umgehen. Neben der Wärmedämmung sind auch weitere energetische Sanierungen bei Gebäuden der genannten Altersklasse zwingend durchzuführen. Denn Hamburg nimmt seine Verantwortung wahr und hat sich auch für den Gebäudesektor im Rahmen des Klimaplans ambitionierte Reduktionsziele gegeben. Der Sektor der privaten Haushalte inklusive der Gebäude soll den CO2-Ausstoß bis 2030 um weitere knapp 2 Millionen Tonnen reduzieren. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird derzeit eine umsetzungs- und anwendungsorientierte Machbarkeitsstudie für die Hamburger Wohngebäude erstellt.


Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. auf die speziellen Anforderungen der energetischen Sanierung von Altbauten in der Baualtersklasse 1918 oder älter im Sinne des Antrags ein besonderes Augenmerk zu richten und hierzu mit der Wohnungswirtschaft, dem Grundeigentümerverband, dem Denkmalschutz und der Handwerkskammer in einen Austausch zu treten;

2. ausgehend von den Ergebnissen der derzeit in Erarbeitung befindlichen Machbarkeitsstudie, die auch insbesondere den Hamburger Wohngebäudebestand unter stadtgestalterischen Gesichtspunkten im Rahmen eines Gutachtens erfassen und bewerten soll, mit den Grundeigentümer:innen bzgl. Altbauten der Baualters-klasse 1918 oder älter die Möglichkeiten für einen verbindlichen Sanierungspfad, die deren speziellen Anforderungen entsprechen, abzustimmen;

3. zu prüfen, wie den speziellen Anforderungen der Altbauten im Rahmen der Fördermöglichkeiten begegnet werden kann;

4. der Bürgerschaft bis zum 31. Dezember 2022 zu 1. und bis zum 31. Dezember 2023 zu 2. und 3. zu berichten.

Antrag

Hamburgische Bürgerschaft
16.02.2022

Von den Abgeordneten:
Matthias Czech, Gabi Dobusch, Sabine Jansen, Dirk Kienscherf, Martina Koeppen, Christel Oldenburg, Lars Pochnicht, Michael Weinreich, Dagmar Wiedemann



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