Am Morgen des Wahlsonntags ist noch alles offen. Was ich mir wünsche ist vor allem, dass wieder mehr Frauen zur Wahl gehen - 90 Jahre, nachdem sich unsere Ur-Großmütter dieses Recht erkämpft hatten.
Eine Erfahrung vor ein paar Tagen allerdings stimmt mich skeptisch. Eingeladen worden waren Frauen, über Hartz IV und seine Folgen für Frauen zu diskutieren. Neben Vertreterinnen diverser sozialer/kirchlicher Einrichtungen waren auch zwei arbeitsmarktpolitische Sprecherinnen aus der Bürgerschaft angekündigt. Statt diese aber in ihren Funktionen anzusprechen und gemeinsam zu diskutieren, ob bzw. an welcher Stelle Möglichkeiten bestehen, konkret etwas in Hamburg an der Situation für Frauen zu verändern, wurde eine Mauer hochgezogen: Beide Politikerinnen wurden erst einmal für die gesamten Sünden der Vergangenheit ihrer Parteien auf Bundesebene "verhaftet".
Angesichts der polit-feindliche Stimmung zogen es dann beide Politikerinnen vor, eher als Privatperson denn als Vertreterin einer Partei zu sprechen. Bezeichnenderweise waren fast alle damit zufrieden - nur eine einzige der anwesenden Frauen forderte lautstark ein, doch bitte politisch zu werden an diesem Abend - vier Tage vor der Wahl.
Nun gehört es auch zum Politikerinnen-Dasein dazu - ob in Veranstaltungen, am Info-Stand oder wo auch immer - ab und zu den Kopf hinzuhalten, und wir alle entwickeln Strategien, damit umzugehen. Trotzdem hat mich der Verlauf des Abends mächtig geärgert und treibt mich weiterhin um.
1. Wie gering ist die Rolle, die die schwierigen Lebenssituationen von Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung spielt, und wie gering ist Hoffnung der Frauen, dass sich das verändern lässt - wenn es erst einmal nur darum geht, auszusprechen, was allen auf der Seele brennt?
2. Welche fatalen Folgen hat diese Abwendung der Frauen von Politik für (Frauen-)Politikerinnen einerseits und Gleichstellungspolitik andererseits?
Ich möchte, dass Frauen (wieder) Lust bekommen auf Politik und mitmischen! Und ich möchte, dass wir wieder gemeinsam für unsere Interessen kämpfen.
Nun bin ich gespannt, wie die Wahlbeteiligung aussehen wird, und wofür sich die Frauen, die gewählt haben, dann entschieden haben.