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TOLERANZ

Neben und miteinander

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

Einigung mit der Volksinitiative "Neubaumieten auf städtischem Grund - für immer günstig! Keine Profite mit Boden & Miete"

Die Initiatoren der Volksinitiative "Neubaumieten auf städtischem Grund - für immer günstig! Keine Profite mit Boden & Miete" haben am 19. Oktober 2020 beim Hamburger Senat die Unterschriftenlisten mit über 10.000 Unterschriften zur Unterstützung der Volksinitiative eingereicht, welche nach entsprechender Prüfung durch den Senat zustande gekommen ist. Gegenstand der Volksinitiative ist eine andere Vorlage im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 Variante 2 des Volksabstimmungsgesetzes (VAbstG). Die Volksinitiative hat eine dauerhafte Begrenzung des Mietzinses ("Sozialwohnungsmiete") für auf städtischen Grundstücken neu gebaute Wohnungen zum Gegenstand.


I. Gegenstand und Begründung der Volksinitiative

Der genaue Gegenstand der Initiative lautet: "Die anfängliche Netto-Kaltmiete für Wohnungen, die auf den Grundstücken der Stadt neu gebaut werden, darf die Mietsätze des 1. Förderwegs im Sozialen Wohnungsbau oder entsprechender Nachfolgeregelungen (Sozialwohnungsmiete) nicht überschreiten. Diese Mieten können nur entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex für Deutschland erhöht werden, aber begrenzt auf maximal 2 % im Jahr. Diese Regelung umfasst das gesamte unmittelbare und mittelbare Landesvermögen. Bei Landesbeteiligungen und Körperschaften sind Senat und Bürgerschaft verpflichtet, ihre Gesellschafter- und Aufsichtsrechte zu nutzen, um diese Mietpreisbegrenzung sicherzustellen."

Die im Gesetz vorgesehene Anhörung der Initiatoren der Volksinitiative erfolgte im Stadtentwicklungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am 18. Januar 2021 (vgl. Ausschuss-Protokoll 22/5 und Drs. 22/2955). Im Anschluss daran sind die antragstellenden Fraktionen mit den Vertreter:innen der Volksinitiative in den Dialog getreten, um die Möglichkeiten für einen Kompromiss auszuloten. Nach vielen sehr intensiven Gesprächen ist mit dem nachfolgenden Ersuchen ein Konsens gelungen, der zu einer Beendigung des laufenden Volksgesetzgebungsverfahrens führen soll.


II. Die Initiatoren erklären zur Begründung ihrer Volksinitiative Folgendes:

Der Hamburger Senat hat seit Etablierung des "Bündnis für das Wohnen" im Jahr 2011 den jährlichen Bau von zunächst 6.000 und später 10.000 Wohnungen versprochen. Dieses Versprechen wurde gehalten. Mensch sollte also davon ausgehen, dass der Wohnungsmarkt in Hamburg im Vergleich zu den Wohnungsmärkten anderer Großstädte und Ballungszentren relativ entspannt sein dürfte. Dem ist allerdings nicht so. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Durchschnittsmiete in Hamburg ist zwischen 2011 und 2021 um rund 30 % gestiegen und allein zwischen 2019 und 2021 um 7,3 %, dies obwohl der Erhebungszeitraum des Mietenspiegels 2021 für die neu vereinbarten oder erhöhten Mieten von vier auf sechs Jahre gegenüber den früheren Mietenspiegeln ausgeweitet wurde, was prinzipiell zu niedrigeren Mieterhöhungen führt.

Ein Großteil der Haushalte müssen deutlich mehr als 30 % des Haushaltseinkommens für die Miete bezahlen. Andere Menschen finden in Hamburg überhaupt keine bezahlbare Wohnung und müssen zum Teil prekäre Wohnverhältnisse als gegeben hinnehmen. Wiederum andere werden aus der Stadt oder ihrem Quartier verdrängt.

Der immense Einsatz von staatlichen Ressourcen (insbesondere der Verwaltung sowie finanziell) zur Ermöglichung des seit 2011 vorangetriebenen Wohnungsbaus hat also nicht signifikant dazu geführt, die Wohnungsnot in Hamburg abzumildern. Tatsächlich wurden über 70 % teure Miet- und noch teurere Eigentumswohnungen und nur ca. 25 % Sozialwohnungen nach dem ersten Förderweg gebaut. Insbesondere hat die Zahl der öffentlich geförderten und damit bezahlbaren Wohnungen auch in der Zeit seit 2011 stetig abgenommen. Im Jahr 2011 gab es in Hamburg noch 98.772 öffentlich geförderte Wohnungen des 1. Förderweges. Diese Zahl sank während der Wohnungsbau"offensive" bis zum 01.01.2022 auf nur noch 73.070 Wohnungen. Im Jahre 2022 werden weitere 2.986 Wohnungen des 1. Förderweges aus der Preisbindung herausfallen. Es zeigt sich also, dass erheblich mehr Wohnungen aus den bestehenden Preisbindungen sukzessive herausfallen als neue nachgebaut werden (können). Die aus der Preisbindung herausfallenden Wohnungen werden sodann in vielen Fällen schnellstmöglich hinsichtlich der zu zahlenden Miete auf Marktniveau angehoben, was Verdrängungseffekte der Bestandsmieter:innen nach sich zieht.

Zudem ist die Zahl der unversorgten vordringlich Wohnungssuchenden auf über 12.000 Personen pro Jahr gestiegen und befindet sich seit vielen Jahren auf einem sehr hohen Niveau. Die Bemühungen des Senates sehen wir durchaus. Die selbst vom Senat angepeilte Zielzahl von jährlich 300 neu gebauten Wohnungen für diesen Personenkreis wurde dennoch überhaupt erst einmal erreicht, zumeist jedoch weit verfehlt.

Hier setzen die Volksinitiativen an. Wir möchten zukünftig auf die zeitliche Befristung von Mietpreisbindungen verzichten. Dies setzt zunächst voraus, dass die zum Wohnungsbau geeigneten Grundstücke nicht veräußert und damit der Marktlogik entzogen werden. Die Volksinitiativen beabsichtigen vielmehr, den Wohnungsneubau über Erbbaurechtsverträge zu steuern und hier über die bekannten Förderprogramme der Freien und Hansestadt Hamburg sowie weiterführende Regelungen in den Erbbaurechtsverträgen sicherzustellen, dass Mietpreissteigerungen dauerhaft ausschließlich in einem sozialverträglichen Maß erfolgen können. Nach diesem Modell gebaute Wohnungen fallen somit nie aus einer Preisbindung und müssen nie substituiert werden: Einmal gefördert - immer bezahlbar!

Nach unserer Auffassung führt dieses Modell nicht nur zu einer nachhaltigeren und ökologischeren Stadtentwicklung, sondern ist auch unter Berücksichtigung des Hamburger Haushaltes vorzugswürdig. Die Stadt hat den Wohnungsbau weitgehend privaten, auf hohe Renditen orientierten Unternehmen überlassen, dafür jedes Jahr auch öffentliche Flächen zur Verfügung gestellt. Es sind kaum öffentliche Flächen im Erbbaurecht vergeben worden, trotz anderslautender Versprechen im Koalitionspapier von SPD und den Grünen. Derzeit wird die Finanzierungsphase von öffentlich geförderten Wohngebäuden mit großem finanziellen Aufwand subventioniert, sodass auch während der ersten 20 oder 30 Jahre Geld mit öffentlich geförderten Wohnungen verdient werden kann. Nach Auslaufen der Förderung sind in Anspruch genommene Darlehen in der Regel zurückgeführt und die Immobilien erwirtschaften insoweit weitere Überschüsse, welche bei dann möglichen Mietsteigerungen noch üppiger werden.

Dieses "Fass ohne Boden" kann durch unser Modell der Wohnungsbauförderung umgangen werden.

In den Verhandlungen haben SPD/Grüne lange Zeit vertreten, dass sich die dauerhaft mietpreisgebundenen Neubauwohnungen nach dem Modell der Volksinitiative am Markt durchsetzen müssten, d. h., dass private Investoren aus Profitgründen diese Wohnungen bauen müssten - sonst würden sie eben nicht gebaut. Wir haben dagegengehalten, dass diese Neubauwohnungen jenseits der Profitlogik von der FHH beziehungsweise ihren Unternehmen oder auch von gemeinwohlorientierten Unternehmen im Wege des Erbbaurechts errichtet werden müssen und können.

Dieser Kerngedanke, wonach für die Absicherung einer dauerhaften Mietpreisbindung der Wohnungsbau nicht der Profitlogik untergeordnet werden darf, findet Eingang in den Kompromissvereinbarungen, wenn auch in einem zahlenmäßig kleineren Rahmen als wir es uns gewünscht hätten. Die Volksinitiative hatte gefordert, dass auf öffentlichem Grund nur noch Wohnungen nach unserem Modell gebaut werden. Im Laufe der Verhandlungen haben wir als Kompromiss angeboten, dass jährlich 3.000 Neubauwohnungen nach unserem Modell gebaut werden müssen. Im Ergebnis konnten wir erreichen, dass in den nächsten 20 Jahren auf einem liegenden Anteil von 33 % der für den Wohnungsbau bestimmten städtischen Flächen die Neubauwohnungen nach unserem Modell errichtet werden, jährlich mindestens 1.000 Wohnungen.

So entsteht ein wachsender Sektor von dauerhaft mietpreisgebundenen Wohnungen vorwiegend im städtischen Eigentum. Wir gehen davon aus, dass hierdurch langfristig die Zahl der bezahlbaren und mit Mietpreisbindung ausgestatteten Wohnungen wieder zunimmt und hiervon auch eine mietpreisdämpfende Wirkung auf das Mietniveau insgesamt ausgeht. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass dieses bisher einmalige Modell bundesweite Ausstrahlung hat und zur Überwindung des überkommenen Sozialwohnungsmodells mit seiner nur befristeten Mietpreisbindung beiträgt.


III. Einschätzung der wohnungspolitischen Lage in Hamburg aus Sicht der rot-grünen Verhandlungsdelegation

Aus Sicht der rot-grünen Regierungsfraktionen waren bei den Verhandlungen nachfolgende grundsätzliche wohnungspolitischen Entwicklungen zu berücksichtigen:

Attraktive Städte und Bevölkerungswachstum

Der Wohnungsmarkt in den großen Ballungsräumen Deutschlands und Europas ist - u. a. aufgrund steigender Bevölkerungs- und Haushaltszahlen - sehr angespannt.

Die Metropolen- und Stadtregionen haben - vor der Pandemie - für viele Menschen durch ihre vielfältigen Angebote (z. B. in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Kultur, soziale Angebote, persönliche Freiräume, moderne Lebensräume) erheblich an Attraktivität gewonnen. So stieg alleine in Hamburg die Bevölkerungszahl in den letzten 20 Jahren um rund 140.000 Menschen. Und auch zukünftig werden die Zahlen in Hamburg und der Hamburger Metropolregion insgesamt weiter - wenn auch voraussichtlich nicht mehr so stark - ansteigen.

Gleichwohl müssen aktuell die Auswirkungen der durch den Ukraine-Krieg und anderer Konflikte ausgelösten Flüchtlingsbewegungen beachtet werden. Die aktuellen Unterbringungsbedarfe stellen viele Städte und Gemeinden vor große Probleme. Gerade Hamburg verzeichnet einen sehr großen Zuzug.

Zudem erleben gerade Familien und einkommensschwächere Haushalte in vielen Städten große Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum entspricht in vielen Regionen nicht mehr dem Bedarf. Hinzu kommt, dass viele Städte und Kommunen (u. a. Berlin) in den letzten drei Jahrzehnten ihre großen kommunalen Wohnungsbestände und städtische Grundstücke an private Investoren verkauft haben. Zudem sind viele dieser Wohnungen in den letzten Jahren aus der Sozialbindung gefallen, was die negative Entwicklung verstärkt hat.

Hamburg ist hier einen anderen Weg gegangen, verfügt mit der SAGA über das größte städtische Wohnungsunternehmen Europas und gilt mit seinen vielen Wohnungsbaugenossenschaften als Hochburg des städtischen und genossenschaftlichen Wohnraums. SAGA und Genossenschaften verfügen heute in Hamburg über einen Bestand von über 270.000 Wohnungen, dieser Bestand wächst weiter. Er garantiert - unabhängig von vorhandenen und nicht vorhandenen Sozialbindungen - langfristig bezahlbare Mieten und ist damit ein wichtiger sozial- und wohnungspolitischer Baustein der Hamburger Wohnungspolitik.

Hamburg verfolgt seit über einem Jahrzehnt nunmehr eine aktive, sozial verantwortungsvolle Wohnungspolitik mit dem Ziel, den wachsenden Wohnungsbedarfen nachkommen und allen Menschen gute Wohnmöglichkeiten bieten zu können. Kernpunkte dieser Politik sind der Bau neuer Wohnungen verbunden mit dem Schutz bezahlbaren Wohnraums sowie eine Entwicklung neuer lebenswerter und nachhaltiger Stadträume.

Klar ist, dass nur durch den Bau neuer und bezahlbarer Wohnungen der heute schon vorhandene (rund 45.000 Menschen leben derzeit in öffentlichen Unterkünften) und steigende Bedarf an Wohnraum befriedigt und damit der Mietanstieg mittel- und langfristig erfolgreich begrenzt werden kann. Klar ist auch, dass in dieser Zeit des Wohnungsneubaus und des erheblichen Nachfragedrucks Mieter:innen vor zu hohen Mieten durch konsequenten Mieter:innenschutz im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten geschützt werden müssen. Hamburg hat sich auf Bundesebene wiederholt für entsprechende weitergehende Maßnahmen eingesetzt. Mit dem "Bündnis für das Wohnen in Hamburg" ist es gemeinsam mit den Wohnungsbauunternehmen gelungen, die Zielzahlen von jährlich mindestens 6.000 und ab 2017 sogar 10.000 zu genehmigenden Wohnungen sowie davon zunächst 2.000, ab 2017 sogar 3.000 geförderten Mietwohnungen zu übertreffen. So wurden in dem Zeitraum von 2011-2021 für mehr als 116.000 Wohnungen Baugenehmigungen erteilt und über 84.000 Wohnungen fertiggestellt.

Die Hamburger Wohnraumförderung gewährt seit 2011 jedes Jahr Fördermittel für über 2.000, seit 2017 sogar für über 3.000 neue Sozialwohnungen. Seit 2021 beträgt die Bindungszeit 30 Jahre. Unterstützt wird dies durch den Entschluss der SAGA, bereits ab 2018 die Bindungsdauer auf 30 Jahre auszuweiten. Hamburg ist bei den Pro-Kopf-Vergleichswerten bundesweiter Spitzenreiter im Sozialwohnungsbau und hat beispielsweise 2019 knapp viermal so viele Wohnungen gefördert wie Berlin.

Für den Anteil öffentlich geförderter Wohnungen wurden mit dem neuen Bündnis für das Wohnen höhere Vorgaben als bisher vereinbart. Bei Projekten ab 30 Wohnungen mit neuem Baurecht oder bei Befreiungen beträgt der Anteil geförderter Wohnungen statt 30 künftig 35 Prozent.

Mit dem Wohnraumförderprogramm 2021/2022 wurde außerdem ein Mindestanteil von 10 Prozent an Wohnungen für vordringlich Wohnungssuchende (WA-gebundene Wohnungen) bei Neubauvorhaben im 1. Förderweg eingeführt. Dieser Anteil wird für Bauvorhaben ab einer Mindestgröße von 30 zu genehmigenden Wohnungen vorgegeben. Das im Juni 2021 abgeschlossene Bündnis für das Wohnen in Hamburg geht darüber hinaus. Der Anteil an Wohnungen für vordringlich Wohnungssuchende soll bis zu 30 Prozent der geförderten Wohnungen betragen (und der Anteil am Gesamtvorhaben bis zu 10 Prozent). Damit soll die Schaffung von WA-Wohnungen im gesamten Stadtgebiet noch einmal intensiviert werden.

Wohnungen des 1. Förderweges sind Haushalten mit niedrigen Einkommen vorbehalten. Die Anfangsmiete liegt für den Förderjahrgang 2022 bei 6,90 Euro/m² nettokalt. Dieser Förderweg hat bei der Bewilligung von Fördermitteln Priorität und soll bestehen bleiben und weiterentwickelt werden. Wohnungen des 2. Förderweges sind Haushalten mit mittleren Einkommen vorbehalten. Die Anfangsmiete liegt für den Förderjahrgang 2022 bei 9,00 Euro/m² nettokalt.

Die Verlängerung der Mindestbindungsdauer geförderten Wohnraums von 20 auf 30 Jahre ab 2021 trägt aus Investoren-Sicht zwar nicht in jedem Fall zur Attraktivitätssteigerung der Förderung bei, jedoch ist die Entscheidung eines Investors, geförderten Wohnungsbau mit Belegungsbindungen zu betreiben, grundsätzlicher Art und wird ausdrücklich begrüßt.

Europäisches Beihilferecht

Das Europäische Beihilferecht sieht zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrung strenge Regeln vor, die auch für den Einsatz öffentlicher Mittel (Grundstücke oder Finanzmittel) im Wohnungsbau gelten. So sind Belegungsbindungen, die den Zugang für die geförderten Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen für bestimmte bedürftige Zielgruppen regeln, mit klar definierten Einkommensgrenzen eine Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit der Förderung.

Der geförderte Wohnungsbau hat gegenüber freifinanziertem Wohnungsbau den nicht unerheblichen Vorteil, dass er es ermöglicht, über einen langen Zeitraum eine niedrige Miete am Markt anzubieten und gleichwohl verlässlich rentabel zu sein. Diese Planungssicherheit und Unabhängigkeit von den Unwägbarkeiten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist von Relevanz für Wohnungsbauunternehmen.

Umfangreiches Schutzpaket

Hamburg nutzt zudem alle Möglichkeiten des Miet- und Baurechts aus, um Mieter:innen zu schützen. Zu den Schutzmaßnahmen gehören u. a. Soziale Erhaltungsverordnungen, die Kappungsgrenzenverordnung, die Mietpreisbegrenzungsverordnung, die Kündigungsschutzfristverordnung, das Zweckentfremdungsverbot und demnächst die stadtweite Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Hamburg hat somit in den letzten Jahren eine Vielzahl von sinnvollen wohnungspolitischen Maßnahmen ergriffen, gleichwohl ist der Bedarf an zusätzlichem bezahlbarem Wohnraum nach wie vor groß.

Ungleichmäßige Verteilung der städtischen Wohnungsbaupotentiale

Im Vergleich zu anderen Städten betreibt Hamburg eine aktive Grundstückspolitik, gleichwohl ist der Anteil städtischer Potentialflächen im Vergleich zur Gesamtfläche begrenzt. Die verfügbaren städtischen Wohnungsbaupotentiale sind von ihrer Größe und Verteilung in Hamburg sehr unterschiedlich und zudem sehr unterschiedlich über die sieben Bezirke verteilt. Die Wohnungsbaupotentiale auf städtischen Flächen umfassen derzeit ca. 31.000 Wohneinheiten (WE). Circa 23.200 WE - also rund 74 Prozent - sind davon innerhalb der gesamtstädtisch bedeutsamen Projektgebiete, nur circa 7.800 WE außerhalb dieser.

Nachhaltige Quartiersentwicklung mit hohen Finanzierungsbedarfen

Die großen Stadtentwicklungsgebiete müssen zum Teil mit erheblichem Aufwand und damit Kosten erschlossen und entwickelt werden. Zu ihnen gehören Oberbillwerder, der 2. Bauabschnitt Mitte Altona, HafenCity, Grasbrook, Wilhelmsburg, die Science City Hamburg Bahrenfeld, Fischbeker Reethen, die Gartenstadt Öjendorf, Diekmoor und die Osterbrookhöfe.

Hamburg soll als gerechte und lebenswerte Stadt für alle weiterentwickelt und gefördert werden. Die Sicherung der sozialen Durchmischung und die Verhinderung vor Verdrängung sind dabei grundsätzliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche und sozial gerechte Stadtentwicklung.

Die von der VI eingebrachte Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum und der besonderen Bedeutung städtischer Flächen ist grundsätzlich zu begrüßen.

Die intensiven Beratungen auch hinsichtlich der Realisierbarkeit einer konkreten Anfangsmiete von nur 6,90 Euro/qm und damit verbundenen Belegungssteuerungen haben gezeigt, dass dieses durch umfangreiche öffentliche Förderungen erreicht werden kann.

Bedeutung städtischer Flächen stärken

Vor dem Hintergrund der aktuellen Bedarfslage, der Kostenentwicklung im Wohnungs-bau sowie der Entwicklungen von Anfangsmieten über 20 Euro pro Quadratmeter warm im frei finanzierten Wohnungsbau, sollen städtische Flächenanteile gesichert und noch stärker im Sinne einer nachhaltigen, sozial und ressourcenschonenden und sozial verantwortungsvollen Wohnungspolitik genutzt werden.

In einzelnen Entwicklungsgebieten und gerade bei gerade kleineren Vorhaben soll geprüft werden, einen noch höheren Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum mit mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen zu schaffen.

Klar ist, dass zur Schaffung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum für alle Menschen in Hamburg vor dem Hintergrund des prognostizierten Zuzugs weiterer Menschen nach Hamburg und dem Umstand von derzeit weit über 40.000 in öffentlicher Unterbringung untergebrachter Menschen eine über den Vertrag für Hamburgs Stadtgrün hinausgehende Begrenzung von neuen Siedlungsflächen dieses Ziel massiv gefährdet und daher abgelehnt wird. Da von einer weiteren Begrenzung von Siedlungsflächen insbesondere städtische Flächen betroffen wären, wären die im Petitum formulierten Zielzahlen nicht erreichbar und damit hinfällig.

Mietpreis- und Belegungsbindungen auf städtischen Flächen

Aus Nachhaltigkeitsgründen wird verstärkt auf sparsamen Flächenverbrauch beim Wohnen und neue Wohnformen gesetzt. Dadurch werden gleichzeitig die Mietbelastungen für einkommensschwächere Haushalte vermindert. Die Bodenpolitik der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) wurde in den letzten Jahren grundlegend reformiert. Mit dem Ziel einer sozial gerechten Bodenpolitik beschloss die Bürgerschaft 2019 unter anderem, dass die FHH in Zukunft städtische Flächen grundsätzlich stärker im Bestand hält, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Die Vergabe der Grundstücke im Erbbaurecht insbesondere in den großen Stadtentwicklungsgebieten wird daher regelhaft geprüft und angestrebt.

Nach dem Modell der Volksinitiative sollen zukünftig durchschnittlich mindestens 1.000 Wohnungen per anno auf städtischen Flächen umgesetzt werden. Die Mieten der geförderten Wohnungen dürfen nur nach Maßgabe der jeweils geltenden Förderrichtlinien erhöht werden. Von den im 1. Förderweg zu errichtenden Wohnungen soll ein bedeutender Anteil für vordringlich Wohnungsuchende reserviert sein (20 Prozent). Die Wohnungen werden 50 Jahre gefördert und mit 100-jährigen Erbbaurechtsverträgen abgesichert. Nach Ablauf der 50-jährigen Förderzeit gelten Mietpreisbindungen mit im Erbbaurechtsvertrag festgelegten Steigerungen.

Auf dem Rest der für den Wohnungsbau bestimmten städtischen Flächen soll der sog. Drittelmix umgesetzt werden.

Diese Regelungen sollen ab 2025 in jeweils 5-Jahreszeiträumen umgesetzt und die Ergebnisse berichtet und evaluiert werden.


IV. Deutliche Veränderungen der wohnungspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Verlauf des Beratungsprozesses

Die Beratungen zu den Volksinitiativen Boden und Miete haben sich als sehr komplex und herausfordernd herausgestellt. Dieses spiegelt auch der äußerst lange Beratungszeitraum wider. Die Beratenden waren trotz der sich erheblich unterscheidenden Ausgangspunkte sehr bemüht, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und der Signalwirkung einer Einigung für Hamburg gerecht zu werden. Erschwerend kam hinzu, dass sich u. a. aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges auch oder gerade im Bereich der Wohnungswirtschaft die Rahmenbedingungen fundamental verändert haben. Klar ist, dass sich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsneubau aktuell sehr deutlich verschlechtert haben.

Auch vor diesem Hintergrund stellt die Vereinbarung eine große zusätzliche Herausforderung für die Stadt und für die wichtigen Akteure im Bereich Wohnen - ob städtisch, genossenschaftlich oder privat - dar. Den Beteiligten ist klar, dass diese Vereinbarung daher nicht ohne Kritik bleiben wird. Gleichwohl stellt das Verhandlungsergebnis eine mittelfristig und langfristig geeignete Basis für eine umfassende Ergänzung des bisherigen sozialen Wohnungsbaus in Hamburg dar, dass zu einer bis dahin noch nie praktizierten Länge von Mietpreisbindungen inklusive einer sozial orientierten Bodenpolitik führen wird.


Die Bürgerschaft möge beschließen:

Vor diesem Hintergrund wird der Senat ersucht,


1. auf einem liegenden Anteil von 33 Prozent der für den Wohnungsbau bestimmten städtischen Flächen sollen folgende Maßgaben umgesetzt werden:

a. Errichtung der neu gebauten Wohneinheiten im 1. Förderweg;

b. Von den Wohnungen des 1. Förderwegs sind 20 Prozent mit WA-Bindung zu errichten;

c. Die Mieten der geförderten Wohnungen dürfen während der Förderlaufzeit nur nach Maßgabe der jeweils geltenden Förderrichtlinien erhöht werden;

d. Die Vergabe der Grundstücke erfolgt im Erbbaurecht mit einer Laufzeit von 100 Jahren;

e. Die Förderung gilt für einen Zeitraum von 50 Jahren. Nach Ablauf der maximal möglichen Förderzeit gelten Mietpreisbindungen mit einer jährlichen Steigerung höchstens in Höhe des gemittelten Wertes aus dem Verbraucherpreisindex und dem Reallohnindex der amtlichen Statistik, aber unterhalb des für Wohnung geltenden Wertes des dann geltenden Mittelwerts des Hamburger Mietenspiegels oder Nachfolgeregelungen, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren. Die Gewichtung beider Indexe erfolgt jeweils zu 50 Prozent für die gesamte Restlaufzeit des Erbbaurechts, abgesichert durch die Erbbaurechtsverträge, weiter. Ebenso gelten die gesetzlichen Regelungen nach BGB § 558 zur Deckelung der Mieterhöhung (Kappungsgrenze) oder Nachfolgeregelungen.


2. Es sind jeweils in 5-Jahreszeiträumen pro Jahr mindestens 1.000 Wohnungen mit hundertjähriger Mietpreisbindung im 1. Förderweg zu errichten, davon 200 Wohnungen mit WA-Bindung. Der Anteil der Wohnungen mit WA-Bindungen wird zusätzlich zu der vom Senat geplanten jährlichen Zielzahl von 300 WA-Wohnungen pro Jahr errichtet. Damit sollen pro Jahr rund 500 WA-gebundene Wohnungen er-richtet werden. Den städtischen Gesellschaften fällt bei der Umsetzung des sozialen Wohnungsbaus eine besondere Bedeutung zu. Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) ist entsprechend ihrer rechtlichen Möglichkeiten gefordert, bei der Umsetzung dieser Vereinbarung zu unterstützen. Sollte dem Senat die Entwicklung großer Stadtentwicklungsgebiete ganz oder teilweise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich sein oder sich um Jahre verzögern, so reduzieren sich die unter dieser Ziffer genannten Zielzahlen entsprechend anteilig den wegfallenden Wohnungsbaupotenzialen. Als große Stadtentwicklungsgebiete sind zusammenhängende Flächen mit mindestens 700 Wohneinheiten definiert.


3. Als große Stadtentwicklungsgebiete im Sinne der Ziffer 2 gelten aktuell Oberbillwerder, der 2. Bauabschnitt Mitte Altona, Wilhelmsburg (Wilhelmsburger Rathausviertel, Elbinselquartier inklusive Zeidlerstraße, Spreehafenviertel), Fischbeker Reethen, Grasbrook, HafenCity, Science City Hamburg Bahrenfeld, Gartenstadt Öjendorf, Diekmoor und Osterbrookhöfe.


4. Diese Vorgaben gelten ab dem 30.09.2024 und haben für mindestens 20 Jahre Gültigkeit.


5. sollten sich durch die Einführung einer sogenannten "Wohnungsgemeinnützigkeit" neue Möglichkeiten einer dauerhaften Sozialbindung über 50 Jahre hinaus oder niedrigere dauerhafte Mietpreisbindungen ergeben, die über die mit diesem Ersuchen vereinbarten hinausgehen, so sollen diese ggf. von der FHH genutzt werden, um die von den Volksinitiativen geforderten dauerhaft preisgebundenen Wohnungen zu errichten.


6. Alle Maßnahmen bis zum 31.12.2029 zu evaluieren. Die Evaluation darf nicht zur Veränderung der grundsätzlich vereinbarten Ziele und Zahlen führen.


7. aufgrund der besonderen Bedeutung der Wohnraumversorgung soll diese grundsätzlich verfassungsrechtlich Berücksichtigung finden.


8. über den Umsetzungsstand dieses Ersuchens ist der Bürgerschaft ab 2026 jährlich zu berichten.

Antrag

Hamburgische Bürgerschaft
02.11.2022

Von den Abgeordneten:
Ksenija Bekeris, Ole Thorben Buschhüter, Matthias Czech, Gabi Dobusch, Sabine Jansen, Dirk Kienscherf, Martina Koeppen, Christel Oldenburg, Lars Pochnicht, Juliane Timmermann, Michael Weinreich, Dagmar Wiedemann



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