Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 22. Wahlperiode
'rau Präsidentin, werte Ab-
geordnete! Der 8. März – Weltfrauentag, Internatio-
naler Tag der Frauen – ist und bleibt ein besonde-
rer Tag. Er ist kein gesetzlicher Feiertag – leider
hat die Mehrheit hier anders entschieden –,
(Lachen bei Krzysztof Walczak AfD)
aber ein wichtiges Datum für Frauen auf der gan-
zen Welt.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)
Es ist ein Tag, an dem Frauen, bisweilen natür-
lich auch andere Geschlechter, seit 1911 Errun-
genschaften im Bereich der Gleichstellung feiern
(Zurufe von der AfD)
und zeitgleich auf noch nicht verwirklichte Frauen-
rechte aufmerksam machen. Der 8. März ist ein
Symbol der Gleichberechtigung und der Emanzipa-
tion. Es war ein langer Kampf um Frauenrechte,
und er ist noch nicht zu Ende: Ich erinnere an den
Kampf um das Frauenwahlrecht, den Kampf um
das eigene Geld, das Sorgerecht, das Recht, ei-
ner bezahlten Arbeit nachzugehen, das Recht der
selbstbestimmten Sexualität, auch in der Ehe. Nur
weil Elisabeth Selbert damals den Kampf um Arti-
kel 3 Absatz 2 in unserem Grundgesetz gewonnen
hat, stehen wir jetzt relativ gut da:
"Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Der Staat fördert die tatsächliche Durchset-
zung der Gleichberechtigung von Frauen
und Männern und wirkt auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hin."
Dieser Absatz hatte, zumindest zeitverzögert, spür-
bare positive Folgen für uns Frauen und für unsere
Gesellschaft; das ist mir wichtig.
6590 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 22. Wahlperiode - 84. Sitzung am 13. März 2024
(Jennifer Jasberg)
Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)
Es gibt hier im Saal Kräfte, die sich die Zeit der
gesitteten Hausfrauen der Sechzigerjahre zurück-
wünschen
(Lachen bei Krzysztof Walczak AfD)
– ich bin gespannt, was aus der Ecke nachher
noch kommt – oder, schlimmer, die prämierten
Mütter der Nazizeit.
(Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Stuss!)
Solch einen Rollback werden wir nicht zulassen.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)
Da sind mittlerweile viele wegweisende Gesetze
und Maßnahmen vor, gerade in Hamburg: bei-
spielsweise neben der Verfassung das Gleichstel-
lungsgesetz, das Gremienbesetzungsgesetz, das
annähernd paritätische Verhältnisse in Entschei-
dungsebenen und Führungsetagen gewährleistet,
das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm,
das alle Ressorts in die gemeinsamen Bemühun-
gen um die Querschnittsaufgabe Gleichstellung
einbindet, und – ganz aktuell eigentlich – die Fest-
legungen zum Gender-Budgeting. Gemäß Para-
graf 1 Landeshaushaltsordnung ist bei der Aufstel-
lung und Ausführung des Haushalts den Grund-
sätzen der Wirkungsorientierung, insbesondere un-
ter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen
Gleichstellung der Geschlechter, Rechnung zu tra-
gen.
Der jetzt vorliegende zweite Bericht dazu – Sie
werden das vielleicht schon gesehen haben – trägt
dem Rechnung und enthält gerade mal 123 gleich-
stellungsbezogene Kennzahlen. Ungefähr bei 16
bis 17 Prozent der Produktgruppen gibt es min-
destens eine Gender-Kennzahl. Nun ja, bis zur tat-
sächlichen Steuerung in diesem Sinne ist es noch
ein langer Weg. Aber Hamburg ist im Bundesver-
gleich und auch im europäischen Vergleich mittler-
weile ganz vorne dabei.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)
Werte Abgeordnete, werte Zuhörende, das ist auch
gut so, denn dass Frauen weiterhin das benach-
teiligte Geschlecht sind, ist nicht von der Hand
zu weisen; manche versuchen es, aber dass eini-
ge Frauen doppelt und dreifach benachteiligt sind,
ist ebenso wenig von der Hand zu weisen. Dazu
müssen wir nicht erst auf ferne Länder oder bei-
spielsweise in den Iran schauen – es reicht völlig,
wenn wir uns den Hamburger Gleichstellungsmoni-
tor oder den beschämenden Gender-Pay-Gap von
18 beziehungsweise in Hamburg sogar skandalö-
sen 21 Prozent angucken, wenn wir auf die Vermö-
gensverhältnisse, die Rentensituation, die Situati-
on von Alleinerziehenden oder auch die Kriminal-
statistik blicken.
Meine Vorrednerin hat es bereits erwähnt: Jeden
dritten Tag bringt hierzulande ein Mann seine Part-nerin oder Expartnerin um. Unsere Frauenhäuser
sind voll mit Frauen und Kindern aus allen Stadt-
teilen, auch den angeblich besseren. Alltagssexis-
mus oder frauenfeindliche Posts im Netz sind all-
gegenwärtig, wie die Polizei gerade feststellen
konnte. Dagegen gehen wir mittlerweile vor, und
das ist gut so.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)
Es gibt also noch einiges zu tun: rund um das
Entgelttransparenzgesetz, die Opferschutzrichtlinie
und um unser ganz falsche Anreize setzendes
Lohnsteuergesetz. Wir im Parlament haben das
Glück, dass wir das, was sozusagen auf der rech-
ten Seite fehlt, durch unsere bisweilen sehr gute
Repräsentation von Frauen ausgleichen.
Sie hören: Wir brauchen den 8. März zum Feiern
des Erreichten, aber auch, um auf das aufmerk-
sam zu machen, was noch aussteht,
(Glocke)
und um für die Solidarität aller Geschlechter zu
werben. Denn nur gemeinsam gelingen uns die
nächsten Schritte
(Glocke)
hin zu einer gleichberechtigten, diskriminierungs-
freien Gesellschaft. – Vielen Dank.'