Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 39. Sitzung am 4. November 2009
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt Themen, die kann man aussitzen, die kann man ausgrenzen oder schlichtweg totschweigen und irgendwann, wenn man Glück hat, erledigen sie sich ganz von selbst. Bei dem Thema Gewalt an Frauen ist das nicht der Fall, das wissen wir alle, die hier sitzen, das wissen aber auch alle Zeitungsleser und vor allen Dingen auch alle Zeitungsleserinnen. Gewalt an Frauen geschieht und so anachronistisch uns das auch vorkommen mag, noch immer wird Frauen nur, weil sie Frauen sind, allein aufgrund ihres Geschlechts, durch Zwang bis hin zur Gewaltandrohung oder auch Gewaltausübung die Freiheit verwehrt, so zu leben, wie sie wollen, auch in Hamburg.
Vor fast genau einem Jahr habe ich an dieser Stelle den Senat aufgefordert, ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen in Hamburg zu setzen. Es sollte ein Zeichen sein – ich zitiere jetzt ausnahmsweise einmal mich selbst,
"…das einerseits den Frauen signalisiert, wir nehmen eure Ängste ernst und verbessern weiter die Maßnahmen, damit wir euch in Zukunft wirksamer schützen können, als wir das bisher tun konnten, und es muss gleichzeitig ein Signal sein, das den Tätern rechtzeitig, nämlich bevor die Taten eskalieren, signalisiert: Stopp, diese Stadt toleriert keine Gewalt gegen Frauen."
Wie Sie alle wissen, gab es für uns damals einen aktuellen Anlass, zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Ich nehme an, das tragische Schicksal von Morsal O. ist Ihnen allen unvergesslich. nat oder ein Mitglied der Regierungskoalition wird sich sicherlich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, dies hier noch einmal ausführlich aufzulisten. Ausgehend von der damaligen Großen Anfrage an den Senat hat meine Fraktion in der Folge einen Antrag mit konkreten Vorschlägen eingebracht, wie der Schutz der fundamentalen Rechte der Frauen auf ein Leben in Freiheit und ohne Gewalt verbessert werden könne. Wie die Mühlen der Demokratie manchmal so mahlen, werden wir diesen Antrag auf einen Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen tatsächlich wohl morgen, also immerhin noch vor dem nächsten "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" am 25. November, im Sozialausschuss erstmals auf der Tagesordnung haben.
Damit aber bereits am diesjährigen 25. November ein Signal von Hamburg an die Betroffenen ausgeht, hat meine Fraktion zusätzlich beantragt, sich einer Aktion von TERRE DES FEMMES anzuschließen zum "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" Flagge zu zeigen. Zum neunten Mal in Folge nämlich sind Städte und Gemeinden aufgefordert, die Fahne "Frei leben – ohne Gewalt" zu hissen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
In 2008 waren es bereits über 5 000 Fahnen, die im In- und Ausland, unter anderem auch an allen Berliner Parteizentralen, gehisst wurden. Hamburg würde es unseres Erachtens sehr gut anstehen, diesen Beispielen zu folgen.
Jetzt geht es um die Frage, wo die Flagge aufgezogen werden soll. Es ist schon bemerkenswert, dass die GAL-CDU-Fraktionen in diesem Fall, anders als bei der Regenbogen-Fahne zum CSD, keine Ausnahme machen wollen und vorschlagen, die Fahne an der Justizbehörde am Dienstsitz der Arbeitsstelle Vielfalt zu hissen.
Wieso dort und nicht bei Herrn Wersich? Das leuchtet mir nicht ein, das ist doch überhaupt nicht logisch. Ich nehme an, dass sich die CDU-Fraktion mit ihrer alten Linie durchgesetzt hat und nun alles, was ihr nicht straight genug erscheint – ich denke zum Beispiel an die Hamburger Ehe –, nicht mehr wie früher an das von ihr inzwischen geschlossene Senatsamt für die Gleichstellung schiebt, sondern an die Arbeitsstelle Vielfalt und die GAL macht dabei auch noch mit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das finde ich richtig piefig.
(Beifall bei der SPD)
Im Zusammenhang mit unserer Initiative zur Ergänzung des Artikel 3 des Grundgesetzes haben wir bereits erlebt, mit welcher Nonchalance die Regierungsfraktionen auf Züge aufspringen und die Ideen anderer zu ihren ureigenen erklären und entsprechend vermarkten. Dieses Mal kommen sie im Nachklapp mit einem eigenen Antrag, einer kleinen Lösung, auf unseren Vorschlag zurück. Wir werden ihm nicht zustimmen. Wir wollen nämlich kein Fähnchen in den Hamburger Wind hängen, sondern dass Hamburg Flagge zeigt am Rathaus. (Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Ich warte gespannt darauf, inwieweit Sie uns schlüssig erklären können, warum die Regenbogenfahne für die Rechte von Lesben und Schwulen am Rathaus wehen darf, eine Fahne für die Rechte von Frauen jedoch nicht. Um Ihrer Verwunderung zuvorzukommen: Die SPD-Fraktion war gegenüber der Öffnung der Flaggenordnung am Rathaus immer sehr skeptisch eingestellt, aber Schwarz-Grün hat die Flaggenordnung gelockert und sich dafür auch hinreichend feiern lassen. Insofern haben wir eine neue Situation und aus A folgt meines Erachtens auch B.
(Beifall bei der SPD)
Ich begrüße es sehr, dass die Koalition es ebenfalls für eine gute Idee hält, die Wanderausstellung "Tatmotiv Ehre" von TERRE DES FEMMES ins Rathaus zu holen. Ihre Bedenken, meine Damen und Herren von der LINKEN, mit dieser Ausstellung könne eine Verengung auf den Aspekt der Gewalt im Milieu von Migrantinnen und Migranten erfolgen, teile ich übrigens nicht. Wir haben immer wieder klargestellt, dass Gewalt gegen Frauen ein Problem ist, das sich durch die gesamte Gesellschaft zieht. Patriarchale Strukturen finden sich tatsächlich überall, aber der Ehrbegriff in bestimmten Milieus verdient sehr wohl unsere Aufmerksamkeit. Eine Verengung des Gesamtproblems ist mit dieser Ausstellung meines Erachtens nicht beabsichtigt und auch nicht verbunden.
Die Stadt hat die Aufgabe, das fundamentale Menschenrecht der Frauen auf ein Leben in Freiheit und ohne Gewalt zu schützen. Lassen Sie uns an diesem Haus für diese Stadt ein Zeichen setzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und bei Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE)