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Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft von 2008 bis 2025

Frauen vor Gewalt schützen

Aktualisiert: 30.01.2012

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 43. Sitzung am 10. Dezember 2009

– Ge­nau.
Herr Pr­äsid­ent, mei­ne Da­men und Her­ren! Heu­te ist der in­ter­na­tio­na­le Tag der Men­schen­rech­te, denn vor 61 Jah­ren hat die Ge­ne­ral­ver­samm­lung der UN, der Uni­ted Na­ti­ons, die All­ge­mei­ne Er­kl­ärung der Men­schen­rech­te ver­ab­schie­det. Das passt ganz aus­ge­zeich­net. Dort heißt es näml­ich in Ar­ti­kel 3 – Ar­ti­kel 3 scheint im­mer ein gu­ter Platz zu sein –:
"Eve­r­yo­ne has the right to li­fe, li­ber­ty and se­cu­ri­ty of per­son."
(Bei­fall bei Rolf Rein­cke CDU) Kei­ne Angst, ich übersetze es Ih­nen auch gleich, aber ich woll­te es Ih­nen lie­ber zu­erst in der eng­li­schen Ver­si­on vor­tra­gen, weil es in man­chen Über­set­zun­gen ein­fach heißt: Je­der hat das Recht auf Le­ben, Frei­heit und Si­cher­heit der ei­ge­nen Per­son. Ich möchte das na­türlich ger­ne so übersetzt ha­ben, dass da steht, je­der und je­de hat das Recht auf Le­ben, Frei­heit und Si­cher­heit der ei­ge­nen Per­son.
(Bei­fall bei der SPD, der GAL, der LIN­KEN und ve­r­ein­zelt bei der CDU) Ich kann wohl mit Fug und Recht be­haup­ten, dass wir uns al­le, wie wir hier sit­zen, egal, wel­cher Frak­ti­on wir an­gehören, dem auch tat­sächl­ich verpf­lich­tet fühlen. Heu­te geht es mir je­doch um die Fra­ge, in­wie­weit in die­ser Stadt der­zeit die fun­da­men­ta­len Rech­te auf Le­ben, Frei­heit und Si­cher­heit all je­ner Frau­en si­cher­ge­s­tellt sind, die zu Hau­se Ge­walt aus­ge­setzt oder von Ge­walt be­droht sind. Die Si­tua­ti­on in den Ham­bur­ger Frau­en­häus­ern ist un­se­ren In­for­ma­tio­nen nach näml­ich der­ma­ßen an­ge­spannt, dass aus un­se­rer Sicht drin­gen­der Hand­lungs­be­darf be­steht. Ei­nen ent­sp­re­chen­den An­trag ha­ben wir vor­ge­legt.
Las­sen Sie mich das kurz ausführen. Der Se­nat hat uns wie­der­holt ver­si­chert, die Ka­pa­zit­äten in den Frau­en­häus­ern reich­ten aus. Ist das so? Ich ha­be da mitt­ler­wei­le star­ke Zwei­fel. Im Jahr 2004 wa­ren es bei­spiels­wei­se noch 35 Frau­en, die zur Auf­nah­me in Frau­en­häus­er au­ßer­halb Ham­burgs ver­wie­sen wur­den, weil in der ak­tu­el­len Not­si­tua­ti­on, in der sie sich be­fan­den, kei­nes der Ham­bur­ger Frau­en­häus­er in der La­ge war, die­se Frau­en auf­zu­neh­men. Im Jahr 2006 wa­ren es schon 86 Frau­en, die an Frau­en­häus­er au­ßer­halb Ham­burgs ver­wie­sen wur­den, und im Jahr 2008 wa­ren es 169 Frau­en, die zur Auf­nah­me in Frau­en­häus­er au­ßer­halb Ham­burgs ver­wie­sen wur­den, weil in der aku­ten Not­si­tua­ti­on kei­nes der Frau­en­häus­er in Ham­burg in der La­ge war, die­se Frau­en auf­zu­neh­men. Das hat da­zu geführt, d­ass bei Be­ra­tungs­s­tel­len wie Patch­work mitt­ler­wei­le schon der Ein­druck ent­stan­den ist, es sei zweck­los be­zie­hungs­wei­se ge­ra­de­zu un­ver­ant­wort­lich, Frau­en an die Ham­bur­ger Frau­en­häus­er zu ver­wei­sen, weil die­se chro­nisch voll be­zie­hungs­wei­se – dar­auf kom­me ich sp­äter noch zurück – übervoll sind. Mei­ne Da­men und Her­ren, so geht es nicht. Ers­tens: Es ist na­türlich sinn­voll, wenn Frau­en­häus­er über die Lan­des­g­ren­zen hin­weg ko­ope­rie­ren, so­lan­ge si­cher­ge­s­tellt ist, dass da­durch nicht wei­te­re bürokrat­i­sc­he Hürden, zum Bei­spiel durch un­ter­schied­li­che Fi­nan­zie­rungs­mo­del­le, Auf­nah­me­be­din­gun­gen oder Ähn­li­ches, ent­ste­hen. Aber las­sen Sie uns nicht ver­ges­sen, dass da­von auch Frau­en be­trof­fen sein können, die zum Bei­spiel ih­ren Ar­beits­platz in Ham­burg ha­ben und ihn ei­gent­lich auch ger­ne be­hal­ten würden. Be­trof­fen sein können auch Kin­der, die ih­re ge­wohn­ten Ki­tas und Hor­te nicht mehr auf­su­chen können, even­tu­ell die Schu­le wech­seln müssen ­und ih­re Freun­de ver­lie­ren in ei­ner Zeit, die sie als trau­ma­tisch er­le­ben dürften. Wie sich die La­ge in der Hin­sicht im De­tail dar­s­tellt, muss aus un­se­rer Sicht drin­gend ein­mal ge­klärt wer­den.
(Bei­fall bei der SPD) Zwei­tens: Die Frau­en­häus­er selbst wol­len kei­ne Frau­en ab­wei­sen, die sich in ei­ner bis­wei­len akut le­bens­be­droh­li­chen La­ge be­fin­den, auch dann nicht, wenn die Häus­er ei­gent­lich voll be­legt sind. In sol­chen Fäll­en kommt es zu Not­un­ter­brin­gun­gen in Ge­mein­schaftsräum­en, al­so zum Bei­spiel auf dem So­fa im all­ge­mei­nen Wohn­zim­mer des Hau­ses, auf Not­bet­ten oder wo im­mer Platz ist. Wir ha­ben neu­lich zum Bei­spiel über einen An­spruch auf Ein­zel­bett­un­ter­brin­gung im Pf­le­ge­be­reich dis­ku­tiert. Hier re­den wir über die an­ge­mes­se­ne Un­ter­brin­gung von häuf­ig trau­ma­ti­sier­ten Frau­en und ih­ren Kin­dern in psy­chisch stark be­las­ten­den Si­tua­tio­nen und wir bie­ten ih­nen bis­wei­len Not­ma­t­rat­zen in ir­gend­ei­ner Ecke oder un­ter der Trep­pe an. Auch das geht aus un­se­rer Sicht nicht. (Bei­fall bei der SPD) Nun dis­ku­tiert die­ses Haus nicht zum ers­ten Mal über Frauenhäus­er. Des­halb ha­be ich noch ein­mal nach­ge­le­sen, wie die letz­ten De­bat­ten da­zu denn so ge­lau­fen sind,
(Olaf Ohl­sen CDU: Pri­ma!) und ver­su­che, et­was vor­zu­bau­en. Zum Bei­spiel lau­te­te in ei­ner der letz­ten De­bat­ten die Be­gründung der CDU-Frak­ti­on dafür, die Plätze nicht aus, son­dern ab­zu­bau­en – die­se Be­gründung ist in den ent­sp­re­chen­den Krei­sen na­türlich le­gen­där –, dass, wenn wir noch zehn Frau­en­häus­er da­zu­bek­ämen, wir die­se auch pro­b­lem­los füllen ­könnten. Die Kon­se­qu­enz, die da­mals von der CDU-Frak­ti­on dar­aus ge­zo­gen wur­de, war, es dann erst gar nicht zu ver­su­chen.
(Olaf Ohl­sen CDU: Das ist ja un­glaub­lich! – Ge­gen­ruf von In­go Egloff SPD: Sie sa­gen es, Herr Kol­le­ge!) Ich hal­te das na­türlich für die fal­sche Kon­se­qu­enz in so ei­ner Si­tua­ti­on.

Wenn es hier Frau­en gibt, de­nen wir kei­nen Schutz bie­ten können, dann müssen ­wir dafür sorg­en, dass sie den in Zu­kunft be­kom­men. Ich ha­be auch nach­ge­le­sen, dass die geschätzte Kol­le­gin Ko­op da­mals ganz zu­ver­sicht­lich war,
(Dirk Ki­en­scherf SPD: Das kennt man gar nicht von ihr!) dass sie den Be­darf durch ent­sp­re­chen­de Ma­ßnah­men zum Bei­spiel im Be­reich Ge­walt­pr­ävent­ion, Tätera­rb­eit und so wei­ter sen­ken könne. Aber der Be­darf ist im­mer noch sehr hoch und höher, als wir Plätze vorr­ätig ha­ben. Die letz­ten acht Re­gie­rungs­jah­re der CDU ha­ben zu­min­dest noch nicht ge­reicht, den Be­darf zu sen­ken.
Wie Sie wis­sen, ist seit Ju­ni 2009 auch in die­ser Sa­che noch ein An­trag mei­ner Frak­ti­on im So­zial­aus­schuss anhäng­ig. Wir for­dern ei­nen Lan­des­ak­ti­ons­plan zur Bekämpf­ung von Ge­walt ge­gen Frau­en und wir ha­ben un­se­re For­de­run­gen mit kon­k­re­ten Ma­ßnah­men un­ter­legt. In­so­fern sind wir na­türlich Ih­rer Mei­nung: Es kann nicht nur dar­um ge­hen, die Frau­en­häus­er wei­ter aus­zu­bau­en, das al­lei­ne reicht nicht. Aber aus­rei­chen­den un­mit­tel­ba­ren Schutz für Frauen in Not zu gewähr­en, ist al­ler­dings aus un­se­rer Sicht die Grund­be­din­gung für alles Wei­te­re.
Wenn wir hier ei­ne der­ar­tig dra­ma­ti­sche Si­tua­ti­on ha­ben, wie sie sich jetzt ab­zeich­net, dann ist es die Verpf­lich­tung des Se­nats, zu han­deln und die Frau­en­häus­er vor dem Kol­laps zu be­wah­ren. Die Ver­let­zung der grund­le­gen­den Rech­te von Frau­en ist in al­len Ge­sell­schaf­ten im­mer noch ein Pro­b­lem. Des­halb dürfen ­Hamburg und der Se­nat an die­sem Punkt nicht zögern zu han­deln. Frau­en­häus­er, die we­gen per­ma­nen­ter Über­füllung nicht mehr als mögli­ch­er Zu­flucht­s­ort zur Verf­ügung stehen, be­sch­ädig­en näml­ich das Ver­trau­en in das Schutz­ver­sp­re­chen, das wir als Stadt den Frau­en wie­der­um schul­den.
(Bei­fall bei der SPD und ve­r­ein­zelt bei der LIN­KEN) In Ham­burg gibt es für eine Bevölke­ru­ng von 1,8 Mil­lio­nen 194 Frau­en­haus­plätze. 235 wären es nach der Emp­feh­lung des Eu­ro­pa­rats; die­se Emp­feh­lung wur­de übrigens auch im Bun­des­tag bei der letz­ten Be­hand­lung die­ses The­mas auf­ge­grif­fen. Das heißt al­so, nach die­sen Be­rech­nun­gen fehl­ten in Ham­burg 41 Frau­en­haus­plätze. Des­halb kann bis­her auch kaum an­ge­mes­sen berücksich­tigt wer­den, dass Frau­en zum Bei­spiel bar­rie­re­f­reie Un­ter­brin­gung ben­ötigen oder in Be­g­lei­tung ih­rer Kin­der, bis­wei­len auch ih­rer Söhne, Un­ter­brin­gung ben­ötigen. Wir ha­ben der­zeit auch da nur ei­ne be­g­renz­te An­zahl an Plätz­en. Es kann zum Bei­spiel auch nicht berücksich­tigt wer­den, dass seit der Aufl­ösung ent­sp­re­chen­der Un­ter­brin­gungsm­ögli­chke­iten von KOO­F­RA, der Ko­or­di­nie­rungs­s­tel­le in Ham­burg ge­gen Frau­en­han­del, auch tief trau­ma­ti­sier­te Frau­en aus der gan­zen Welt in den Frau­en­häus­ern un­ter­ge­bracht wer­den, Frau­en mit Kin­dern in ei­nem Zim­mer mit Frau­en, die ih­re Kin­der seit Jah­ren nicht mehr ge­se­hen ha­ben und de­ren Kin­der qua­si als Gei­seln ge­hal­ten wer­den, um die Frau­en als Op­fer se­xu­el­ler Aus­beu­tung gef­ügig zu hal­ten. Das sind Zustände, die wir uns nicht ein­fach an­schau­en soll­ten, son­dern wir soll­ten uns bem­ühen, Abhi­lfe zu schaf­fen.
(Bei­fall bei der SPD und der LIN­KEN) Ich erwähne die Un­ter­brin­gung von Frau­en, die bei KOO­F­RA re­gi­s­triert sind, un­ter an­de­rem des­halb, weil auch die Fälle von Frau­en­han­del im Jahr 2009 dra­ma­tisch ge­s­tie­gen sind. Be­reits im ers­ten Halb­jahr 2009 hat­ten wir so vie­le Fälle re­gi­s­triert wie im ge­sam­ten Jahr 2008. Auf die­se Ent­wick­lung war die Ham­bur­ger Si­tua­ti­on ein­fach nicht ein­ge­rich­tet. Das Ham­bur­ger Frau­en­haus­sys­tem hat die­ses nicht gut ver­kraf­tet.
Zu Ih­rer Er­in­ne­rung: Ei­ne psy­cho­lo­gi­sche Be­t­reu­ung vor Ort in den Frau­en­häus­ern wird vom Se­nat schon seit Läng­er­em nicht mehr fi­nan­ziert und kann nur des­halb punk­tu­ell auf­rech­t­er­hal­ten wer­den, weil die Mit­ar­bei­te­rin­nen in die­sen Häus­ern, die ei­ne ent­sp­re­chen­de Aus­bil­dung ha­ben, auf ei­ne ad­äquate Ent­loh­nung ver­zich­ten und so­zu­sa­gen auf ganz an­de­ren Stel­len ar­bei­ten. Die­se häuf­ig überqual­ifi­zi­er­ten und zu we­nig Lohn ar­bei­ten­den Frau­en müssen ­sich dann übrigens auch noch von Men­schen wie Herrn Amendt – Sie er­in­nern sich vi­el­leicht, das ist der, der vor Kur­zem die Frau­en­häus­er als Hort der In­dok­tri­na­ti­on ge­gen Männ­er sch­lie­ßen las­sen woll­te – vor­wer­fen las­sen, sie sei­en Lai­en­selbst­hil­fe­an­bie­te­rin­nen. Das ist aus mei­ner Sicht na­türlich der ab­so­lu­te Gip­fel. (Bei­fall bei der SPD und bei Ne­ba­hat Güclü GAL) An­ge­sichts die­ser Si­tua­ti­on müssen ­wir uns tat­sächl­ich mit den Stan­dards in den Ein­rich­tun­gen be­fas­sen. Wir for­dern Sie, lie­be Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen von CDU und GAL, des­halb auf, jetzt nicht auf sta­tis­ti­sche Fi­nes­sen der Be­darfs­kal­ku­la­ti­on aus­zu­wei­chen, wie wir das schon öfter, auch in der ent­sp­re­chen­den Si­tua­ti­on im Aus­schuss, hat­ten, son­dern zu han­deln, be­vor der Scha­den noch größer wird. Wie ich höre, wol­len Sie ei­ner Über­wei­sung zu­stim­men. Das würde m­ich na­türlich freu­en, das wäre sehr gut. Wir dürfen ­die Sa­che nur nicht all­zu lan­ge lie­gen las­sen. – Vie­len Dank für Ihre Auf­merk­sam­keit.



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