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KULTUR

Vielfalt und Lebendigkeit

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft von 2008 bis 2025

Konzept für das Altonaer Museum

Aktualisiert: 30.01.2012

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 64. Sitzung am 27. Oktober 2010

Frau Pr­äsid­ent­in, mei­ne Da­men und Her­ren! Vi­el­leicht erst ein­mal mei­nen Dank an Frau Mar­tens für die Auf­kl­ärung und die deut­li­chen Wor­te im Hin­blick auf die In­ter­p­re­tier­bar­keit des An­trags von CDU und GAL. Ich glau­be, auch die Pres­se hat es jetzt ver­stan­den. Ei­gent­lich soll man die Hoff­nung nie auf­ge­ben, aber es war deut­lich, wie es ge­meint war.
Mei­ne Da­men und Her­ren! Wer hätte das ge­dacht? Ich hätte mir nie träum­en las­sen, dass ich als SPD Po­li­ti­ke­rin ei­nes Ta­ges hier ste­hen würde u­nd ei­ner kon­ser­va­tiv geführten Re­gie­rung, die­sem Se­nat, würde e­rklären müssen, wel­che fun­da­men­ta­le Be­deu­tung ein Lan­des­mu­se­um hat. Für die Nicht­latei­ne­rin­nen und Nicht­latei­ner in die­sem Haus, "con­ser­va­re" heißt auf gut Deutsch "be­wah­ren". Und was sind Mu­se­en? Mu­se­en sind Or­te des Be­wah­rens.
(Bei­fall bei der SPD – Frank Schi­ra CDU: Re­den Sie mal zur Sa­che!) Wor­um es uns hier ge­hen muss, ist ers­tens um die Be­wah­rung ei­nes tra­di­ti­ons­rei­chen Hau­ses, näml­ich des Al­to­na­er Mu­se­ums. Wor­um es uns hier au­ßer­dem ge­hen muss, ist das Be­wah­ren der ge­sam­ten Ham­bur­ger Kul­tur vor der doch recht sim­p­len Ver­wer­tungs­lo­gik die­ses Se­nats
(Bei­fall bei der SPD) und vor dem Pri­mat der Öko­no­mie, die in Ham­burg die gan­ze Kul­tur­po­li­tik zu durch­drin­gen, oder soll­te ich sa­gen zu durch­sie­ben, zu un­ter­wan­dern und zu durchl­öchern droht, als ob al­lein Be­su­cher­zah­len, zu­mal wenn sie auch noch falsch wie­der­ge­ge­ben oder ver­fälscht ge­st­reut wer­den, neu­er­dings über den Wert oder Un­wert von Kul­tur ent­schei­den würden. Wo sind wir denn hier ei­gent­lich? (Zu­ru­fe von der CDU: Oh, oh!) So ein­fach dürfen ­Sie sich das Gan­ze doch nicht ma­chen. Schon ganz und gar nicht, wenn wir über ein Haus re­den, das ei­ne knapp 150-jähr­ige Ge­schich­te hat. Da wird ein­mal ge­guckt, wie vie­le Be­su­cher nach der Re­no­vie­rung dort hin­ge­gan­gen sind, das ist unm­ögli­ch.
(Bei­fall bei der SPD) Mei­ne Da­men und Her­ren! Nun zu Ih­rem nach­ge­scho­be­nen An­trag zum Al­to­na­er Mu­se­um. Die­ser An­trag macht den Ein­druck, als gin­ge es wir­k­lich um den Er­halt, als ob Sie sich von dem Aufruhr in der Stadt ei­nes Bes­se­ren hätt­en be­leh­ren las­sen. Ih­re For­mu­lie­run­gen al­ler­dings lie­ßen uns schon ver­mu­ten, dass die Sa­che nicht so ein­fach ist. (Jörn Fromma­nn CDU: Das ist ja in et­wa gleich!) Ein Kon­zept für den Stand­ort ent­wi­ckeln, das kann al­les Mögli­che hei­ßen.
(Rolf Har­ling­hau­sen CDU: Vi­el­leicht ein Frau­en­haus?) Was ist denn da­mit ge­meint? Das kann hei­ßen, Um­wid­mung die­ses wun­der­ba­ren Stand­or­tes, ei­nen In­ves­tor fin­den, der dar­aus – mit Bahn­an­bin­dung – et­was ganz Tol­les macht. Das kann von der Schrumpfl­ösung bis hin zum sch­lei­chend ver­ord­ne­ten Tod der ge­sam­ten Stif­tung His­to­ri­sche Mu­se­en dank kon­se­qu­en­ter struk­tu­rel­ler Un­ter­fi­nan­zie­rung wir­k­lich al­les hei­ßen, was Sie nur wol­len.
Dann müssen ­Sie mir das Wörtch­en "kurz­fris­tig" noch ein­mal er­kl­ären. Wie soll es denn bit­te Ih­rer Mei­nung nach ge­hen? Wie ist es denn mögli­ch, et­was, das un­ter Lei­tung die­ses Se­nats und Ih­rer Kul­tur­behörde in den gan­zen letz­ten Jah­ren nicht be­frie­di­gend ge­lun­gen ist, näml­ich das Al­to­na­er Mu­se­um als ei­nes von vier Haup­t­häus­ern mit je ei­ge­ner Iden­tit­ät inne­rh­alb der von Ih­nen gewünscht­en Ge­samt­kon­zep­ti­on Stif­tung His­to­ri­scher Mu­se­en, und zwar sei­ner Be­deu­tung als Lan­des­mu­se­um ent­sp­re­chend, zu po­si­tio­nie­ren und das inn­er­halb kürzest­er Zeit? Das müssen ­Sie mir ein­mal er­kl­ären. Wir wer­den die­sem CDU/GAL-An­trag na­türlich auf gar kei­nen Fall zu­stim­men. (Ha­rald Kr­üger CDU: Das trifft mich jetzt aber hart!) Las­sen Sie mich noch ein­mal re­ka­pi­tu­lie­ren: Der Se­nat hat die Sch­lie­ßung des Al­to­na­er Mu­se­ums be­sch­los­sen oh­ne Pr­üfung der Mach­bar­keit, der Fol­ge­kos­ten und der recht­li­chen La­ge, oh­ne vor­he­ri­ge Ge­spräche mit Fach­leu­ten, mit den Be­trof­fe­nen oder mit Leu­ten vor Ort und oh­ne Zu­kunfts­kon­zep­te für die Zeit da­nach;
(Tho­mas Böwer SPD: Oh­ne Sinn und Ver-
stand!)
auch das ist noch ein­mal deut­lich ge­wor­den. (Bei­fall bei der SPD und der LIN­KEN) Nor­bert Hack­busch hat es schon her­vor­ge­ho­ben. Die be­son­de­re Frech­heit ist, dass er auch noch ver­sucht hat, die­ses kom­p­lett am Par­la­ment vor­bei zu tun; das las­sen wir aber nicht zu.
(Bei­fall bei der SPD und der LIN­KEN) Die wun­der­ba­ren Re­den über die Spar­not­wen­dig­kei­ten ma­chen mich ganz krank. Ob hier überhaupt ir­gendet­was ge­spart würde o­der ob Kos­ten nicht ein­fach nur von der lin­ken Ta­sche in die rech­te Ta­sche ver­scho­ben würden,
(Vi­via­ne Speth­mann CDU: So stellt sich der klei­ne Mann das vor!) von der Kul­tur­behörde hin zur Fi­nanz­behörde, ist noch gar nicht klar.

In sei­nen Ant­wor­ten hat der Se­nat klar ge­sagt, dass er das al­les noch gar nicht wis­se. Dass es sich der Se­nat al­ler­dings mit sei­ner Ent­schei­dung nach Guts­her­ren­art mit al­len Kul­tur­schaf­fen­den in die­ser Stadt ver­dor­ben hat, ist of­fen­sicht­lich ge­wor­den und das wird sich auch in den nächst­en Wo­chen noch zei­gen. So fahrläss­ig geht man nicht mit Men­schen und mit alt­ehr­würdigen In­sti­tu­tio­nen um.
(Bei­fall bei der SPD) Da­mit bin ich bei mei­nem nächst­en Punkt. Noch nie in der Ge­schich­te der Bun­des­re­pu­b­lik Deut­sch­land wur­de ein Lan­des­mu­se­um ge­sch­los­sen. (Jörn Fromma­nn CDU: Ei­ner muss mal den An­fang ma­chen!) Es han­delt sich al­so bei die­ser be­ab­sich­tig­ten Sch­lie­ßung kei­nes­wegs mal eben um ei­ne der im­mer mal wie­der an­ste­hen­den klei­nen Kürzung­en im Kul­ture­tat, es han­delt sich um ei­nen ein­ma­li­gen Vor­gang von überregi­on­aler Be­deu­tung.
(Jörn Fromma­nn CDU: Für wen?) Bis­her wa­ren Mu­se­en die­ser Größeno­rdn­ung näml­ich sa­kro­sankt. Ham­burg scheint nun aus­ge­rech­net in die­ser Sa­che wild ent­sch­los­sen, die Vor­rei­ter­rol­le übernehm­en zu wol­len.
Las­sen Sie mich aus ei­nem Brief der Ri­chard­Sch­öne-Ge­se­llsc­haft für Muse­um­sg­esc­hi­chte zi­tie­ren, um Ih­nen noch ein­mal vor Au­gen zu führen, was Sie hier ein­fach so be­sch­lie­ßen wol­len: "Das Al­to­na­er Mu­se­um […] war von vor­n­e­he­r­ein mehr als ein städt­is­ches, näml­ich ein re­gio­nal­his­to­ri­sches Mu­se­um. Die Samm­lun­gen zu ländl­ic­hen und ur­ba­nen Kul­tu­ren vor­in­du­s­tri­el­ler Zei­tal­ter, zum his­to­ri­schen und mo­der­nen Schiff­bau, zur so­zia­len, Wirt­schafts- und Po­li­tik­ge­schich­te oder zu der von Min­der­hei­ten grei­fen ent­sp­re­chend aus bis nach Ost- und Nord­fries­land, Hol­stein, Nord­nie­der­sach­sen, Meck­len­burg und Pom­mern. Sie bil­den bis in klei­ne De­tails hin­ein ein Ge­samt­bild der nord­deut­schen Kul­tu­rund Na­tur­ge­schich­te seit dem Mit­telal­ter, wie es an kei­ner an­de­ren Stel­le ver­g­leich­bar er­lebt wer­den kann."
Wir ha­ben bei un­se­ren Ak­tio­nen vor Ort er­lebt, wie sehr die Bevölke­ru­ng mit die­sem Mu­se­um ver­bun­den ist, wie vie­le Er­in­ne­run­gen da­ran ge­knüpft si­nd. Mu­se­en sind näml­ich auch Bil­dungsstätt­en. Sie tra­gen da­zu bei zu ent­de­cken, wer wir sind, wo wir sind und wo­her wir kom­men. Nicht-Ham­bur­gern in lei­ten­der Po­si­ti­on übrigens ist das al­les sehr zu emp­feh­len. Nicht zu ver­ges­sen, sie tra­gen auch da­zu bei, dass wir wis­sen, wo­hin wir ge­hen. Das sind kei­ne überflüssigen Käst­en ge­füllt mit al­tem Ramsch, das sind Stätt­en der Ru­he und der Samm­lung, die wir in un­se­ren hek­ti­schen Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung drin­gend brau­chen, um uns ab und zu selbst zu ver­ge­wis­sern.
In­ter­na­tio­nal übrigens gibt es schon längst ei­nen Trend hin zur Ins­ze­nie­rung his­to­ri­scher Mu­se­ums­ge­bäude, die sich als wah­re Pu­b­li­kums­ren­ner er­wie­sen ha­ben. Auch da hätte das Al­to­na­er Mu­se­um mit sei­nen fes­ten Ein­bau­ten un­heim­lich viel zu bie­ten. Wol­len Sie denn, kurz be­vor da et­was pas­siert, jetzt Ta­bu­la ra­sa ma­chen? Ich fin­de das unm­ögli­ch. Es müsste ­d­och den Kul­tur­ver­ant­wort­li­chen, zu­min­dest de­nen im Se­nat, so­fort ein­leuch­ten, dass die Mu­se­en mit ih­rem für heutige Verhältn­isse wir­k­lich ver­schwen­de­ri­schen Um­gang mit Raum doch die Ka­the­dra­len der Neu­zeit sind. Die gilt es doch zu ver­tei­di­gen, die müssen ­wir doch er­hal­ten, nicht als Samm­lung in Kis­ten ir­gend­wo in der Rum­pel­kam­mer, ir­gend­wo un­ten in den Ka­ta­kom­ben, son­dern ge­nau in den his­to­ri­schen Ge­bäud­en, die dafür konz­ipi­ert wur­den, was sich heu­te kein Mensch mehr leis­ten könnte.
(Bei­fall bei der SPD – Karl-Heinz Warn­holz CDU: Das reicht für heute!) – Nein, ganz reicht es noch nicht.
Aus­ge­rech­net in die­sen Zei­ten, in de­nen wir auch in die­sem Hau­se zum Bei­spiel über Inte­gr­at­i­on re­den, an­ge­sichts der Ge­schwin­dig­keit der Veränd­er­ung­en um uns her­um und dem ewi­gen Zwang zu Neu­ver­or­tung, Neu­de­fini­ti­on und Wan­del brau­chen wir doch Mu­se­en. Sie jetzt zu sch­lie­ßen, ist doch kom­p­let­ter Wahn­sinn. Soll es nur noch Häppc­hen­Ev­ents und Stadt­mar­ke­ting ge­ben? Das kann nicht die Kul­tur sein, die die­ser Kul­tur­stadt Ham­burg würdig ­ist. Wir als SPD-Frak­ti­on wol­len das nicht. Wir wer­den dem An­trag der LIN­KEN zu­stim­men, wir wol­len den Er­halt des Al­to­na­er Mu­se­ums. (Bei­fall bei der SPD und der LIN­KEN)



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