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17 JAHRE!

Es waren spannende Jahre...

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft von 2008 bis 2025

Europäische Charta für Gleichstellung

Aktualisiert: 30.01.2012

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 62. Sitzung am 29. September 2010

Herr Pr­äsid­ent, mei­ne Da­men und Her­ren! Ich freue mich wir­k­lich sehr für die Kol­le­gin von der CDU, dass sie heu­te Abend ein­mal auf so große Zu­stim­mung aus den ei­ge­nen Rei­hen ge­trof­fen ist, denn das ist bei die­ser The­ma­tik ein sel­te­nes Er­eig­nis.
(Frank Schi­ra CDU: Das ist Ihr gepf­leg­tes Vor­ur­teil!) Frau Ko­op, Sie ha­ben da­von ge­spro­chen, dass bei der Lohn­dif­fe­renz von 25 Pro­zent die Re­de sei, aber ei­gent­lich sei­en es nur 12 Pro­zent. Das ist je­doch die Sicht des Ver­t­re­ters des Un­ter­neh­mens­ver­ban­des Nord. Der hat ei­ne ei­ge­ne Stu­die in Auf­trag ge­ge­ben und so lan­ge ge­rech­net, bis man bei 12 Pro­zent an­ge­langt war. Aber Sie wis­sen sehr wohl, dass die of­fi­zi­el­len in­ter­na­tio­na­len und eu­ro­päis­chen Stu­di­en da­von sp­re­chen, dass in Deut­sch­land im Durch­schnitt die Lohn­dif­fe­renz zwi­schen Frau­en und Männ­ern bei 23 Pro­zent liegt – wohl­ge­merkt, im Durch­schnitt. Dies be­deu­tet, dass in man­chen Fäll­en die­se Dif­fe­renz bei glei­cher Ar­beit noch sehr viel größer ist als 23 Pro­zent.
Ich kom­me zum ei­gent­li­chen Punkt, zur Eu­ro­päis­chen Char­ta für die Gleich­stel­lung von Frau­en und Männ­ern auf lo­ka­ler Ebe­ne. Die­se Char­ta ist ei­ne sehr gu­te Sa­che. Die SPD-Frak­ti­on ist eben­falls dafür, dass Ham­burg sie un­ter­zeich­net. Ich ha­be mich et­was ge­wun­dert, denn die­se Char­ta ist tat­sächl­ich aus­ge­ar­bei­tet wor­den vom Rat der Ge­mein­den und Re­gio­nen Eu­ro­pas, wo Ham­burg gar nicht ver­t­re­ten ist. Es wäre ei­ne Über­le­gung wert ge­we­sen, wie­so das nicht so ist. Es wird na­türlich aus fol­gen­dem Grund ein bis­schen merk­würdig ­au­ssehen. Es ha­ben bis­her 19 deut­sche Städte un­ter­zeich­net, un­ter an­de­rem für Glei­c­hstel­l­ung so her­aus­ra­gen­de und be­kann­te Bei­spie­le wie Gers­dorf, Plet­ten­burg oder Wes­ter­s­te­de. Aber im­mer­hin ist Duis­burg hier als größte Stadt auf­geführt, s­ie hat im­mer­hin schon fast 500 000 Ein­woh­ner. Wenn nun Ham­burg end­lich das Ni­veau von Gers­dorf im Be­reich der Gleich­stel­lung er­rei­chen wird, bin ich wir­k­lich froh und un­terstütze d­ies­es Vor­ha­ben. (Bei­fall bei der SPD) Ich grei­fe drei Punk­te her­aus, die mir an die­ser gleich­stel­lungs­po­li­ti­schen Selbst­verpf­lich­tung in­halt­lich be­son­ders gut ge­fal­len. Das ist zum ei­nen der Punkt der Ver­bind­lich­keit. In der Char­ta heißt es un­ter an­de­rem, lo­ka­le und re­gio­na­le Re­gie­run­gen müssten Ak­ti­ons­pläne und Pro­gram­me zur Gleich­stel­lung er­ar­bei­ten und mit den Fi­nanz­mit­teln und Hu­m­anres­sour­cen aus­stat­ten, die für ihre Um­set­zung er­for­der­lich sei­en. Es steht dort aus­drücklich, dass sie die­se Aus­stat­tung leis­ten müssten, egal, ob eu­ro­päis­che Mit­tel dafür freigese­tzt wer­den oder nicht. Ich bin ge­spannt, was in Ham­burg in die­ser Rich­tung in die We­ge ge­lei­tet wer­den wird. Ich ha­be al­ler­dings sehr wohl zur Kennt­nis ge­nom­men, dass es die Char­ta er­laubt, dass man sich zwei Jah­re Zeit lässt; Nach­ti­gall, ick hör dir trap­sen. Da ist der Zeit­punkt wir­k­lich gut gewählt, denn wenn Sie al­les noch ein bis­schen sch­lei­fen las­sen, dann sind Sie sp­äter gar nicht mehr in der Pf­licht, ir­gendet­was um­zu­set­zen. Wir wer­den aber im­mer wie­der nach­fra­gen, wie weit Sie ge­kom­men sind.
(Glo­cke) Vi­ze­pr­äsid­ent Wolf­gang Joi­t­he­–von Kro­sigk (un­ter­b­re­chend): Ent­schul­di­gen Sie, dass ich Sie un­ter­b­re­che, Frau Do­busch.
Ich möchte auch für Frau Do­busch die Ge­le­gen­heit wahr­neh­men, Sie um et­was mehr Ru­he zu bit­ten. – Vie­len Dank.
Ga­bi Do­busch (fort­fah­rend): – Dan­ke schön. Was mir als zwei­ter Punkt an die­ser Char­ta gut ge­fällt, ist der eu­ro­päis­che Cha­rak­ter, auf den schon hin­ge­wie­sen wur­de, denn wie al­le sehr wohl wis­sen, die mit der Ma­te­rie ver­traut sind, ist Eu­ro­pa in punc­to Gleich­stel­lung im­mer ei­ne gu­te Adres­se. Ich ge­be ei­ne klei­ne An­re­gung. Wenn wir in Zu­kunft Pro­gram­me aus­ar­bei­ten, un­ter an­de­rem mit un­se­ren Part­nerstädt­en, wäre es ei­ne gu­te Ge­le­gen­heit zu zei­gen, wie wich­tig Ham­burg die­ser Punkt Gleich­stel­lung ist. Man könnte dies in die of­fi­zi­el­len Pro­gram­me mit auf­neh­men und ein­mal schau­en, ob Ham­burg nicht auch noch über andere Fra­gen mit den Part­nerstädt­en dis­ku­tie­ren kann als über Wirt­scha­ftsthem­en; dies nur als klei­ne An­re­gung.
Drit­ter Punkt: Es heißt in der Char­ta un­ter an­de­rem, dass die Ge­sch­lech­ter­per­spek­ti­ve in der Ge­stal­tung von Po­li­tik, Me­tho­den und In­stru­men­ten berücksich­tigt wer­den müsse, ­die das tägl­ic­he Le­ben der Bevölke­ru­ng be­ein­fluss­ten, et­wa durch den Ein­satz von Gen­der Main­st­rea­ming und Gen­der Bud­ge­ting. Ich ha­be eben schon von Frau Ko­op die­ses Wort Main­st­rea­ming noch ein­mal gehört. Es ist wir­k­lich ei­ne Stern­stun­de, wenn auch aus den Rei­hen der CDU und überhaupt in die­sem Par­la­ment so ein erst seit Jahr­zehn­ten in­ter­na­tio­nal ge­bräuchl­ic­her Be­griff fal­len darf, oh­ne dass es gleich Be­mer­kun­gen dar­über gibt, was das schon wie­der für eine ko­mi­sche Sa­che sei.

Mei­ne Da­men und Her­ren! In punc­to Gen­der Main­st­rea­ming und Gen­der Bud­ge­ting hat Ham­burg, vor­sich­tig for­mu­liert, noch viel Ar­beit vor sich. Ich hof­fe al­so, dass die Un­ter­zeich­nung die­ser Selbst­verpf­lich­tung dann auch in Han­deln um­schlägt. Herr Se­na­tor, ich se­he Sie ge­ra­de dort sit­zen. Hat­ten Sie nicht ein­mal zum The­ma Gen­der Bud­ge­ting ge­sagt, dass die Jus­tiz­behörde bei­spiel­ge­bend vor­an­ge­hen würde in punc­to ei­ge­ner Haus­halt­s­an­ge­le­gen­hei­ten? Ich bin sehr ge­spannt, was Sie in die­ser Hin­sicht vor­le­gen wer­den. Wenn es nicht nur ein In­ter­view mit dem "Ham­bur­ger Abend­blatt" würde, ­sond­ern tat­sächl­ic­hes Re­gie­rungs­han­deln, dann würde i­ch mich sehr freu­en.
Das führt mi­ch zu mei­ner letz­ten An­mer­kung. Die Un­ter­zeich­nung der Char­ta kann näml­ich feh­len­den po­li­ti­schen Wil­len in Ham­burg nicht er­set­zen. Ich hat­te schon ein­mal dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich die Fi­nanz­behörde bei mei­nen Nach­fra­gen vor­sich­tig da­hin­ge­hend äußer­te, dass dies po­li­tisch ge­wollt sein müsse, ­dann sei vie­les mögli­ch. Aber bis­her ist es das noch nicht. Ich wa­ge im­mer noch zu be­zwei­feln, dass die­ser po­li­ti­sche Wil­le bei Schwarz-Grün wirklich vor­han­den ist. Ich wa­ge zu be­zwei­feln, dass es über ein rei­nes Lip­pen­be­kennt­nis hin­aus­geht.
Ich ha­be sehr ge­nau der Re­gie­rung­s­er­kl­ärung zu­gehört. Ließ ­die Re­gie­rung­s­er­kl­ärung des neu­en Bürgerm­eis­ters aus Ih­rer Sicht er­ken­nen, dass Ham­burg ein be­son­de­res En­ga­ge­ment in der Fra­ge von Gen­der Main­st­rea­ming und Gleich­stel­lung plant? Ich kann mich an kei­nen Punkt er­in­nern, in dem er dar­auf ver­wie­sen hat oder er­ken­nen ließ, dass er auch für die Bürgeri­nn­en die­ser Stadt et­was zu tun ge­denkt. Wer wird denn ei­gent­lich die­se Char­ta un­ter­zeich­nen, wird das der Ers­te Bürgerm­eis­ter sein
(In­go Egloff SPD: Das macht die Frau vom Ers­ten Bürgerm­eis­ter!) oder wird aus Glaub­würdigk­eit­sgründen d­ann vi­el­leicht doch An­de­res ge­schickt? Ich bin ge­spannt, wie das Gan­ze über die Bühne g­ehen wird. Noch ein­mal an die Adres­se von Se­na­tor Stef­fen ge­rich­tet: Es ist noch gar nicht so lan­ge her, zwei oder drei Wo­chen, dass sich Schwarz-Grün überhau­pt nicht ge­scheut hat, fort­schritt­li­che weg­wei­sen­de An­träge mei­ner Frak­ti­on und der Frak­ti­on der LIN­KEN zum The­ma Gleich­stel­lung im dis­ku­tie­ren­den Aus­schuss ra­di­kal weich­zu­wa­schen, nach­dem sie über viele Mo­na­te ver­sch­leppt und ver­scho­ben wor­den sind. Was wir sch­lie­ßlich be­kom­men ha­ben, ist ei­ne ab­so­lut un­ver­bind­li­che, win­del­wei­che Auf­for­de­rung zur Her­stel­lung von Ge­sch­lech­ter­ge­rech­tig­keit, ein rei­nes Lip­pen­be­kennt­nis oh­ne je­g­li­che Ver­bind­lich­keit. Das ist furcht­bar und je­den­falls nicht im Sin­ne der Frau­en. (Bei­fall bei der SPD und der LIN­KEN) Ich bin auch ge­spannt, was dem Se­nat jetzt noch zum Ar­ti­kel 16 der Char­ta ein­fällt; vi­el­leicht ha­ben Sie es ge­le­sen. Es geht im Ar­ti­kel 16 um den Punkt der Gleich­stel­lung und Kin­der­be­t­reu­ung. Dort wird al­les Mögli­che vor­ge­schla­gen und ge­for­dert. Ich kann Ih­nen je­doch sa­gen, dass die letz­te Erh­öhung der Bei­träge, wie wir sie in Ham­burg hat­ten, nicht zur Förde­ru­ng ech­ter Gleich­stel­lung bei­ge­tra­gen hat. Vie­le Paa­re ha­ben sich näml­ich aus­ge­rech­net, dass es für sie fi­nan­zi­ell sehr viel bes­ser aus­sieht, wenn die Mütter – es sind doch meis­tens wie­der die Mütter, die Frau­en – jetzt we­ni­ger ar­bei­ten, um die­sen fi­nan­zi­el­len Ver­lust aus­zu­g­lei­chen. Da­mit sind wir wie­der beim Punkt Ren­te. Die Frau­en re­du­zie­ren ih­re Ar­beit und wer­den wie­der mit den klei­ne­ren Ren­ten nach Hau­se ge­hen. Das ist die di­rek­te Fol­ge die­ser wun­der­ba­ren Po­li­tik in punc­to Kin­der­be­t­reu­ung, auf die Sie sonst im­mer so stolz sind. Hier soll­ten Sie ein­mal ge­nau­er hin­schau­en.
Ich bin auch sehr ge­spannt, wie die For­de­rung die­ser Char­ta dann um­ge­setzt wird. Es wird näml­ich da­von aus­ge­gan­gen, dass der Se­nat die po­li­ti­schen Par­tei­en auf­for­dern wird, al­le ge­setz­lich zuläss­ig­en Schrit­te zu un­ter­neh­men – wo­zu, falls er­for­der­lich, auch Quo­ten­re­ge­lun­gen zähl­en –, um die An­zahl von Kan­di­da­tin­nen bei Wah­len zu erhöhen. Es gibt hier noch vie­le wei­te­re Vor­schläge zu die­sem The­ma. Ich bin ge­spannt, wie der Se­nat das be­werk­s­tel­li­gen wird und was mei­ne Frak­ti­on und mei­ne Par­tei dann er­rei­chen wird. – Vie­len Dank.
(Bei­fall bei der SPD)



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