Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 48. Sitzung am 25. Februar 2010
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das jetzt vom Senat vorgelegte europapolitische Jugendkonzept ist ein Anfang, unserer Meinung nach allerdings – das möchte ich gleich eingangs sagen – noch nicht viel mehr. Es war schon kein besonders gutes Vorgehen, die demokratischen Organisationen der Jugendverbände – ich denke insbesondere an den Landesjugendring und dessen Meinungsbildungsprozesse –, wie in diesem Fall geschehen, derart wenig mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, und das bei dem Thema Partizipation.
Partizipation kann unseres Erachtens nicht heißen, dass sich die Senatskanzlei zum Beispiel routinemäßig mit ein paar Jugendlichen zusammensetzt, aber nicht, um deren Ideen aufzugreifen und diese in das eigene Konzept aufzunehmen, sondern vor allem, um womöglich gute Fotos für die eigene PR in dieser Sache zu haben. Diesen Eindruck nämlich bekamen wir von einigen Jugendlichen auf einer Veranstaltung des Landesjugendrings zu hören. Diese Veranstaltung ist vielleicht ebenfalls ein gutes Beispiel für das nicht ganz so geglückte Vorgehen in dieser Sache. Die Veranstaltung des Landesjugendrings fand nämlich einen Tag vor der Senatspressekonferenz zu dem Konzept am 2. Februar statt. Eingeladen waren Multiplikatoren der Jugendarbeit ebenso wie Vertreter der Bürgerschaft – des Europaauschusses – und auch EUAbgeordnete. Auf dieser Veranstaltung wiederum wurde der Eindruck vermittelt, es ginge ernsthaft darum, die Anwesenden mit ihrem Expertenwissen in den Prozess der Meinungsbildung noch vor der abschließenden Konzeptpräsentation einzubeziehen. Aber die Ergebnisse konnten gar nicht mehr einfließen, denn so viel Nachtarbeit traue ich der Behörde nun doch nicht zu. Zur allgemeinen Überraschung aller Beteiligten wurde aber bereits am nächsten Tag das fertige Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt. Genau diese Art von Partizipation stellen wir uns nicht vor und Sie hoffentlich auch nicht.
(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hackbusch und Dora Heyenn, beide DIE LINKE) So demotiviert man ganz effizient die Menschen, die sich in einem Bereich engagieren, der seit Jahren von der Politik eher vernachlässigt wurde, aber auf das überaus große Engagement solcher Menschen angewiesen ist. Vielleicht erklärt dieses Vorgehen auch, zumindest im Nachhinein, warum an dieser Veranstaltung nur ein EU-Abgeordneter unserer Fraktion teilnahm und kein EU-Vertreter der Regierungsparteien.
(Rolf Harlinghausen CDU: Das lag an der schlechten Terminierung, das wissen Sie genau!)
Dem war vielleicht schon klar, was für eine Art von Veranstaltung das tatsächlich war und um wie viel Partizipation an dieser Veranstaltung es letztlich ging.
Meine Damen und Herren! Es ist gut, wenn die Senatskanzlei das direkte Gespräch mit Jugendlichen sucht und sich Anregungen holt. Es ist gut, wenn Fachleute ins Gespräch mit einbezogen werden, aber in jedem Fall ist es schlecht, die Gesprächspartner zur Legitimationskulisse zu degradieren. Das entspricht jedenfalls nicht unserem Verständnis von Partizipation.
Wenn es um Jugend und Europa geht, stehen wir vor großen Herausforderungen, was uns – darauf wurde bereits hingewiesen – die Beteiligungszahlen der jungen Menschen an der Europawahl ganz deutlich gezeigt haben.
Wenn es um Partizipation geht, sind die Herausforderungen ungleich größer; das sollte uns allen bewusst sein. Die größte Herausforderung besteht aber unseres Erachtens darin, nicht nur die selbstorganisierten Jugendlichen – Sie haben das schon erwähnt –, sondern auch die zahlreichen nicht organisierten Jugendlichen zu erreichen und mit einzubeziehen, und zwar nicht nur die Jugendlichen zum Beispiel aus dem Bildungsbürgertum, sondern auch die sozial schwächeren. Wie wollen wir das tun? Auf diese Frage brauchen wir eine Antwort und die lässt sich diesem Konzept des Senats noch nicht entnehmen. Die EU hat allen Mitgliedsstaaten ins Stammbuch geschrieben, den strukturierten Dialog mit der Jugend zu suchen. Das aber gilt für Mümmelmannsberg ebenso wie für Blankenese.
(Beifall bei der SPD)
Unseres Erachtens reichen die bisher vorgetragenen Ideen in diesem Konzept dafür nicht aus. Ich erwähne zum Beispiel den Leitfaden für den Europaunterricht in der Schule, der, soviel wir wissen, nach Jahren noch immer nicht fertiggestellt ist. Obendrein wird fast zeitgleich dem Europa-Jugendbüro in Altona, also dem Büro, das in allen Belangen der internationalen und insbesondere der europäischen Jugendarbeit wertvolle Dienste leistet, mitgeteilt, es müsse für 2011 mit einer Kürzung der Mittel in Höhe von etwa 15 000 Euro rechnen und das, obwohl sich der Senat in seinem Konzept ausdrücklich auf die gute Arbeit dieses Büros im Zusammenhang mit dem Fachkräfteaustausch und der Weiterbildung der Fachkräfte bezieht.
(Rolf Harlinghausen CDU: Können Sie nicht mal was Konstruktives sagen?)
Kürzung der Mittel einerseits, neues Konzept andererseits, das passt doch irgendwie nicht zusammen, das müssen Sie doch zugeben.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN –
Hans-Detlef Roock CDU: Reden Sie den Antrag nicht kaputt, sonst wird er nicht überwiesen!)
Es war bereits die Rede davon, dass in Hamburg zum Beispiel aufgrund der Verkürzung der Gymnasialschulzeit die Teilnehmerzahlen beim Schüleraustausch rückläufig sind. An den Universitäten hat nach der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge die Beteiligung an europäischen Austauschsemestern abgenommen. Aufgrund der jeweils fälligen Kostenbeteiligung ist der Kreis derjenigen jungen Menschen, die von Austauschprogrammen profitieren können, wie man es auch dreht und wendet, bereits das Ergebnis eines sozialen Ausleseprozesses.
Das sind insgesamt Besorgnis erregende Entwicklungen. Dem Senat ist dazu nicht viel mehr eingefallen, als Prüfaufträge zu erteilen und Absichtserklärungen abzugeben. Darauf möchte ich nämlich auch hinweisen: Die Verbindlichkeit des Konzepts geht derzeit nicht einmal so weit, einen festen Zeitraum, konkrete Ziele oder gar eine Überprüfung des Konzepts anzukündigen. Das ist doch ein bisschen
Wir sind deshalb der Meinung, dass dieses Konzept tatsächlich noch ausführlicher im Ausschuss beraten werden sollte. Vielleicht gelingt es uns dort, dieses Konzept mit guten Ideen anzufüttern und dafür zu sorgen, dass wir in Hamburg tatsächlich eine Partizipation der Jugendlichen im europäischen Raum realisieren können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPD)