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Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft von 2008 bis 2025

Ergänzung des Grundgesetzes um das Merkmal Sexuelle Identität II

Aktualisiert: 30.01.2012

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 44. Sitzung am 20. Januar 2010

Frau Pr­äsid­ent­in, mei­ne Da­men und Her­ren! Wir führen ­eine De­bat­te um den Ar­ti­kel 3 des Grund­ge­set­zes. Aus­drücklich noch ein­mal ein Dank an die GAL für die An­mel­dung, knapp ein hal­bes Jahr nach­dem wir hier in der Bürgers­cha­ft frak­ti­ons­übergrei­f­end und überrasc­he­nd einm­ütig da­für gest­immt ha­ben, ei­ne Bun­des­rats­in­i­tia­ti­ve mit dem Ziel zu star­ten, den Ar­ti­kel 3 des Grund­ge­set­zes um das Merk­mal se­xu­el­le Iden­tit­ät zu ergänz­en. All die­je­ni­gen, die das nicht so di­rekt ver­folgt ha­ben, be­ka­men nun la­ko­nisch vom Se­nat mit­ge­teilt, dass die von ihm ge­mein­sam mit Ber­lin und Bre­men auf den Weg ge­brach­te und vom Land Bran­den­burg un­terstützte I­nitia­t­ive am 27. No­vem­ber kei­ne Mehr­heit im Bun­des­rat ge­fun­den hat. Das ist aus un­se­rer Sicht au­ßer­or­dent­lich be­dau­er­lich. Ich kann für uns So­zial­de­mo­k­ra­tin­nen und So­zial­de­mo­k­ra­ten sa­gen, dass wir schon die lei­se Hoff­nung hat­ten, dass die Mehr­hei­ten zu die­sem Zeit­punkt an­de­re sein würden ­und es uns ge­lun­gen würde, ­eine Mehr­heit für diese In­i­tia­ti­ve zu fin­den.
In der ent­schei­den­den Sit­zung hat der
FDP-Staats­mi­nis­ter Hahn aus Hes­sen ge­gen den An­trag ge­spro­chen; das wur­de schon erwähnt. Er ist Jus­tiz­mi­nis­ter, zuständ­ig für Inte­gr­at­i­on in Eu­ro­pa, stell­ver­t­re­ten­der Mi­nis­ter­pr­äsid­ent in Hes­sen und au­ßer­dem Lan­des­vor­sit­zen­der der dor­ti­gen FDP. Der nie­dersächs­is­che CDU-Jus­tiz­mi­nis­ter Bu­se­mann hat sich eben­falls ge­gen den An­trag aus­ge­spro­chen. Was wa­ren ih­re Ar­gu­men­te? Ei­ni­ges ha­ben Sie schon vor­ge­tra­gen be­kom­men. Ich will das noch ein­mal ergänz­en.
Mi­nis­ter Bu­se­mann von der CDU er­klärte, dass das Grund­ge­setz – trotz der Ver­fol­gung und Dis­kri­mi­nie­rung der Ho­mose­xu­el­len bis in die Sieb­zi­ger­jah­re hin­ein – ei­ne Er­folgs­ge­schich­te sei und wir den Blick nun nach vor­ne rich­ten müssten, die Zu­kunft sähe für Homose­xuel­le näml­ich ro­sig aus. Ein grund­ge­setz­li­cher Schutz sei da nicht nötig. Ganz so ro­sig se­he ich die­se Zu­kunft nicht. Ich bin schon der Mei­nung, dass wir rich­tig lie­gen und nicht die­ser Herr.
(Bei­fall bei der SPD, der GAL und der LIN­KEN) Staats­mi­nis­ter Hahn von der FDP da­ge­gen ver­wies auf die An­kündigu­ng­en der neu­en Bun­des­re­gie­rung und ver­t­rat die Po­si­ti­on, dass an­ge­sichts der – sei­ner Mei­nung nach – äußerst am­bi­tio­nier­ten Zie­le der schwarz-gel­ben Re­gie­rung im Bund ei­ne Grund­ge­setzänd­er­ung nur ein sym­bo­li­scher Akt und völlig überflüssig s­ei. Auch die­ser Mei­nung kann ich mich ab­so­lut nicht an­sch­lie­ßen. Die Fra­ge ist, wie wir jetzt wei­ter da­mit um­ge­hen. Auf Bun­des­e­be­ne ist mitt­ler­wei­le schon ei­ni­ges ge­sche­hen. Sie wis­sen vi­el­leicht, dass im Bun­des­tag gleich­lau­ten­de An­träge der Gr­ünen und der SPD vor­lie­gen, die er­neut ei­ne Ergänz­ung des Grund­ge­set­zes im Sin­ne un­se­rer In­i­tia­ti­ve for­dern. Bei­de An­träge sind al­ler­dings noch nicht be­ra­ten und bei den Mehr­heits­verhältn­iss­en kann man sich na­türlich nicht all­zu vie­le Hoff­nun­gen ma­chen. Dar­über hinaus hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vor Kur­zem ein wir­k­lich weg­wei­sen­des Ur­teil in der Fra­ge der Gleich­stel­lung von Le­ben­s­part­ner­schaf­ten mit der Ehe ge­spro­chen.

Es gibt al­so zu­min­dest hier wei­ter­hin Fort­schrit­te.
Un­se­res Er­ach­tens ist aber die Ergänz­ung des Grund­ge­set­zes noch lan­ge nicht vom Tisch. Sie ist we­der von rein sym­bo­li­schem Nut­zen, wie die FDP meint – wo­bei ich ergänz­en möchte, dass auch ein sym­bo­li­scher Nut­zen nicht zu un­terschätz­en ist und ei­ner Zu­stim­mung durch­aus wert sein kann –, noch ist sie überflüssig, wie es die CDU sch­licht­weg be­haup­tet hat.
Ich kom­me zu Ham­burg und möchte an die­ser Stel­le den Se­nat gern an ein Ver­sp­re­chen er­in­nern, das im Ham­bur­ger Koa­li­ti­ons­ver­trag fest­ge­hal­ten ist. Dem­nach sol­len in Ham­burg Pro­jekt­mit­tel be­reit­ge­s­tellt wer­den für ein For­schung­s­pro­jekt zur Au­f­ar­bei­tung der Ver­fol­gung schwu­ler Männ­er auf­grund des Pa­ra­gra­fen 175. Im Rah­men die­ses Pro­jek­tes soll­te mei­nes Er­ach­tens auch der Fra­ge nach­ge­gan­gen wer­den, warum ei­ne sol­che Ver­fol­gung Ho­mose­xu­el­ler – trotz des Ar­ti­kels 3 in sei­ner heu­ti­gen Fas­sung – überhaupt mögli­ch war. Dann könnte auch end­gültig ­ge­ze­igt wer­den, dass das Grund­ge­setz in die­ser Hin­sicht eben kei­ne rei­ne Er­folgs­ge­schich­te war und es in der heu­te gel­ten­den Fas­sung nicht aus­reich­te, um dies zu ver­hin­dern. Herr Bu­se­mann von der CDU irrt ganz ein­fach.
Mei­ne Da­men und Her­ren! Die Be­ra­tun­gen im Bun­des­rat ha­ben aus mei­ner Sicht zwei Din­ge ge­zeigt: Auf die FDP ist in die­ser Fra­ge kein Ver­lass – zu mei­ner Ver­blüffung, muss ich sa­gen. (Klaus-Pe­ter Hes­se CDU: Echt?) Die Po­si­ti­on der Ham­bur­ger FDP,
(Wolf­gang Beuß C­DU: Die hat ja gar kei­ne Po­si­ti­on!) die wir im Vor­feld der Ent­schei­dung bis­wei­len auf Po­di­ums­dis­kus­sio­nen hören konn­ten, war schon äußerst frag­würdig. Die Po­si­ti­on der FDP auf Bun­des­e­be­ne ist aber aus mei­ner Sicht überhaupt nicht nach­zu­voll­zie­hen. Zum an­de­ren, mei­ne Da­men und Her­ren von der CDU, muss ich fest­s­tel­len, dass das mit den eman­zi­pa­to­ri­schen In­hal­ten Ih­re Par­tei auch noch nicht in Gänze durch­zieht. Ich weiß jetzt nicht wir­k­lich, ob ich Ih­nen wünschen soll, dass sich die et­was fort­schritt­li­che­re Sicht­wei­se Ham­burgs end­lich auf das gan­ze Bun­des­ge­biet aus­b­rei­tet. Im Sin­ne un­se­rer Sa­che wäre es na­türlich zu wünschen, dass Sie die­sen Spa­gat überwind­en und aus Ih­rem Di­lem­ma her­aus­kom­men. Im Mo­ment gibt es bei Ih­nen schon wie­der reich­lich Kräfte, die das Rad der Ge­schich­te zurückdreh­en wol­len. Ich wer­de das Gan­ze na­türlich in­ter­es­siert ver­fol­gen; mal se­hen, was da­bei her­aus­kommt.
Ei­nes ist je­den­falls si­cher: Mit Schwarz-Gelb kom­men wir in die­ser Fra­ge nicht weit, das hat die Ab­stim­mung im Bun­des­rat ein­wand­f­rei ge­zeigt. Für die SPD möchte ich noch ein­mal klar­s­tel­len, dass wir wei­ter­hin zu un­se­rem Vor­stoß in der Ge­mein­sa­men Ver­fas­sungs­kom­mis­si­on von 1993 ste­hen und das Ziel der Grund­ge­setz­ergänz­ung wei­ter ver­fol­gen wer­den. Wir ha­ben in die­ser Sa­che be­reits ei­nen äußerst lan­gen Atem be­wie­sen und wer­den auch wei­ter­hin dran blei­ben, im Bund und na­türlich vor al­len Din­gen auch hier in Ham­burg – hof­f­ent­lich auch dann wie­der mit Ih­rer al­ler Un­terstützung. – Vie­len Dank.
(Bei­fall bei der SPD und bei Fa­rid Müller ­GAL)



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