Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 44. Sitzung am 20. Januar 2010
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir führen eine Debatte um den Artikel 3 des Grundgesetzes. Ausdrücklich noch einmal ein Dank an die GAL für die Anmeldung, knapp ein halbes Jahr nachdem wir hier in der Bürgerschaft fraktionsübergreifend und überraschend einmütig dafür gestimmt haben, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, den Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal sexuelle Identität zu ergänzen. All diejenigen, die das nicht so direkt verfolgt haben, bekamen nun lakonisch vom Senat mitgeteilt, dass die von ihm gemeinsam mit Berlin und Bremen auf den Weg gebrachte und vom Land Brandenburg unterstützte Initiative am 27. November keine Mehrheit im Bundesrat gefunden hat. Das ist aus unserer Sicht außerordentlich bedauerlich. Ich kann für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen, dass wir schon die leise Hoffnung hatten, dass die Mehrheiten zu diesem Zeitpunkt andere sein würden und es uns gelungen würde, eine Mehrheit für diese Initiative zu finden.
In der entscheidenden Sitzung hat der
FDP-Staatsminister Hahn aus Hessen gegen den Antrag gesprochen; das wurde schon erwähnt. Er ist Justizminister, zuständig für Integration in Europa, stellvertretender Ministerpräsident in Hessen und außerdem Landesvorsitzender der dortigen FDP. Der niedersächsische CDU-Justizminister Busemann hat sich ebenfalls gegen den Antrag ausgesprochen. Was waren ihre Argumente? Einiges haben Sie schon vorgetragen bekommen. Ich will das noch einmal ergänzen.
Minister Busemann von der CDU erklärte, dass das Grundgesetz – trotz der Verfolgung und Diskriminierung der Homosexuellen bis in die Siebzigerjahre hinein – eine Erfolgsgeschichte sei und wir den Blick nun nach vorne richten müssten, die Zukunft sähe für Homosexuelle nämlich rosig aus. Ein grundgesetzlicher Schutz sei da nicht nötig. Ganz so rosig sehe ich diese Zukunft nicht. Ich bin schon der Meinung, dass wir richtig liegen und nicht dieser Herr.
(Beifall bei der SPD, der GAL und der LINKEN)
Staatsminister Hahn von der FDP dagegen verwies auf die Ankündigungen der neuen Bundesregierung und vertrat die Position, dass angesichts der – seiner Meinung nach – äußerst ambitionierten Ziele der schwarz-gelben Regierung im Bund eine Grundgesetzänderung nur ein symbolischer Akt und völlig überflüssig sei. Auch dieser Meinung kann ich mich absolut nicht anschließen. Die Frage ist, wie wir jetzt weiter damit umgehen. Auf Bundesebene ist mittlerweile schon einiges geschehen. Sie wissen vielleicht, dass im Bundestag gleichlautende Anträge der Grünen und der SPD vorliegen, die erneut eine Ergänzung des Grundgesetzes im Sinne unserer Initiative fordern. Beide Anträge sind allerdings noch nicht beraten und bei den Mehrheitsverhältnissen kann man sich natürlich nicht allzu viele Hoffnungen machen. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht vor Kurzem ein wirklich wegweisendes Urteil in der Frage der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe gesprochen.
Es gibt also zumindest hier weiterhin Fortschritte.
Unseres Erachtens ist aber die Ergänzung des Grundgesetzes noch lange nicht vom Tisch. Sie ist weder von rein symbolischem Nutzen, wie die FDP meint – wobei ich ergänzen möchte, dass auch ein symbolischer Nutzen nicht zu unterschätzen ist und einer Zustimmung durchaus wert sein kann –, noch ist sie überflüssig, wie es die CDU schlichtweg behauptet hat.
Ich komme zu Hamburg und möchte an dieser Stelle den Senat gern an ein Versprechen erinnern, das im Hamburger Koalitionsvertrag festgehalten ist. Demnach sollen in Hamburg Projektmittel bereitgestellt werden für ein Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der Verfolgung schwuler Männer aufgrund des Paragrafen 175. Im Rahmen dieses Projektes sollte meines Erachtens auch der Frage nachgegangen werden, warum eine solche Verfolgung Homosexueller – trotz des Artikels 3 in seiner heutigen Fassung – überhaupt möglich war. Dann könnte auch endgültig gezeigt werden, dass das Grundgesetz in dieser Hinsicht eben keine reine Erfolgsgeschichte war und es in der heute geltenden Fassung nicht ausreichte, um dies zu verhindern. Herr Busemann von der CDU irrt ganz einfach.
Meine Damen und Herren! Die Beratungen im Bundesrat haben aus meiner Sicht zwei Dinge gezeigt: Auf die FDP ist in dieser Frage kein Verlass – zu meiner Verblüffung, muss ich sagen. (Klaus-Peter Hesse CDU: Echt?)
Die Position der Hamburger FDP,
(Wolfgang Beuß CDU: Die hat ja gar keine Position!)
die wir im Vorfeld der Entscheidung bisweilen auf Podiumsdiskussionen hören konnten, war schon äußerst fragwürdig. Die Position der FDP auf Bundesebene ist aber aus meiner Sicht überhaupt nicht nachzuvollziehen. Zum anderen, meine Damen und Herren von der CDU, muss ich feststellen, dass das mit den emanzipatorischen Inhalten Ihre Partei auch noch nicht in Gänze durchzieht. Ich weiß jetzt nicht wirklich, ob ich Ihnen wünschen soll, dass sich die etwas fortschrittlichere Sichtweise Hamburgs endlich auf das ganze Bundesgebiet ausbreitet. Im Sinne unserer Sache wäre es natürlich zu wünschen, dass Sie diesen Spagat überwinden und aus Ihrem Dilemma herauskommen. Im Moment gibt es bei Ihnen schon wieder reichlich Kräfte, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Ich werde das Ganze natürlich interessiert verfolgen; mal sehen, was dabei herauskommt.
Eines ist jedenfalls sicher: Mit Schwarz-Gelb kommen wir in dieser Frage nicht weit, das hat die Abstimmung im Bundesrat einwandfrei gezeigt. Für die SPD möchte ich noch einmal klarstellen, dass wir weiterhin zu unserem Vorstoß in der Gemeinsamen Verfassungskommission von 1993 stehen und das Ziel der Grundgesetzergänzung weiter verfolgen werden. Wir haben in dieser Sache bereits einen äußerst langen Atem bewiesen und werden auch weiterhin dran bleiben, im Bund und natürlich vor allen Dingen auch hier in Hamburg – hoffentlich auch dann wieder mit Ihrer aller Unterstützung. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL)