Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 47. Sitzung am 24. Februar 2010
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Frau Koop, an Ihrer Stelle würde ich mir Gedanken darüber machen, ob in Ihrer Fraktion nicht bei Debatten um solch nette Themen wie Gleichstellung eine Männerquote angebracht wäre. Ich fände das eine gute Idee. (Martina Gregersen GAL: Wo ist denn Ihr Mann?)
Es war gestern übrigens im Internet nachzulesen, halb öffentlich, einige Mitglieder Ihrer Fraktion hätten keine Lust auf diese Debatte. Es wurde angedeutet, es sei doch besser, diesen Punkt fallen zu lassen und direkt zur weiteren Tagesordnung überzugehen, zur richtigen Politik sozusagen. Diesen Abgeordneten und allen anderen männlichen oder weiblichen Abgeordneten in diesem Hause, die ähnlicher Meinung sind, möchte ich ein Zitat der derzeit amtierenden EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, entgegenhalten:
"Solange wir einen Frauentag feiern müssen, bedeutet das, dass wir keine Gleichberechtigung haben."
Meine Herren – und vielleicht vorsichtshalber auch meine Damen –, wenn Sie sich künftig Debatten zum 8. März und zur Gleichstellung ersparen wollen, dann gibt es dafür eine ganz einfache Lösung: Entdecken Sie die Feministin oder den Feministen in sich. Seien Sie solidarisch und lassen Sie uns gemeinsam zügig und nachhaltig Gleichstellung in Hamburg verwirklichen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Lassen Sie uns eine gemeinsame Anstrengung unternehmen und dem Auftrag folgen, den uns das Grundgesetz gibt, nämlich die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung der immer noch bestehenden Nachteile hinzuwirken. Ich werde konkreter. Welche Versprechungen hat uns der derzeitige Senat gegeben und welche hat er gehalten? Sollte in dieser Legislaturperiode ein goldenes Gleichstellungszeitalter angebrochen sein, so ist das an mir vorübergegangen. Ich werde jetzt den Gleichstellungssenator beim Wort nehmen und ihn mehrmals zitieren. Vielleicht erinnern Sie sich, vor ungefähr einem Jahr sagte er zum Gender Budgeting:
"Wir in der Justizbehörde […] werden im Rahmen unseres Pilotprojektes das Gender Budgeting implementieren."
Eine tolle Idee. Wir haben das Gender Budgeting immer wieder angemahnt. In der Behördenveranstaltung zum neuen Haushaltswesen hieß es dann dazu auf meine entsprechende Nachfrage, es sei natürlich alles machbar, aber doch nur, wenn der politische Wille da sei.
Senator Steffen zum Stichwort Lohnunterschiede bei Frauen und Männern:
"Das Pay Gap, also die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, ist ein ganz zentrales Thema der Gleichstellungspolitik."
Da sind wir absolut einer Meinung. Unser Antrag zur Berücksichtigung von Lohngleichheit bei Frauen und Männern im Hamburgischen Vergabegesetz wurde allerdings glatt abgelehnt.
Der Senator zum Stichwort mehr Frauen in den Gremien öffentlicher Unternehmen und öffentlicher Verwaltung:
"Das ist natürlich etwas, das durch ein vernünftiges Instrumentarium der Frauenförderung vorbereitet werden muss, eine Aufgabe, die wir uns für die 'Arbeitsstelle Vielfalt' vorgenommen haben."
Ein gutes Vorhaben. Unser Antrag bezüglich der Quotierung in Spitzenpositionen, der letzte Woche endlich nach über einem halben Jahr auf der Tagesordnung stand, konnte aber nicht abgestimmt werden, weil die Damen und Herren noch nicht so weit waren.
(Viviane Spethmann CDU: Wir wollten mehr Informationen haben, daran lag es doch!) Das von uns geforderte Konzept für eine Datenbank zur Erfassung möglicher Kandidatinnen für Aufsichtsräte und Vorstände: nicht da. Informationen zu vorhandenen Weiterbildungsangeboten für Frauen, die Führungspositionen beispielsweise in Gremien anstreben: nicht da. Eine Erfolgsbilanz derselben: überhaupt nicht angedacht.
Geschlechterparitätische Besetzung von Gremien in Hamburg: Man überlegt noch, welche Gesetze man diesbezüglich in Angriff nehmen könnte. Die geforderte Bundesratsinitiative zur Änderung des Aktiengesetzes nach norwegischem Vorbild und die Einführung einer 40-Prozent-Quote in Aufsichtsräten: Man prüft und prüft und weiß nur nicht, wie lange noch.
Meine Damen und Herren! Norwegen kann es, Spanien kann es, die Niederlande können es, auch Belgien und Frankreich können es wahrscheinlich demnächst – worauf warten wir hier eigentlich noch, können Sie mir das einmal sagen? Ich bin mir sicher, wenn wir wollten, könnten wir das ganz genauso.
(Beifall bei der SPD)
Zu einer modernen Unternehmenskultur gehört das mittlerweile sowieso dazu.
Es wäre schön, wenn sich die Spielwiese, die sich die GAL eingerichtet hat – ich beziehe mich auf die "Arbeitsstelle Vielfalt" –, endlich entpuppen würde und zum Schmetterling wird, der dann auch fliegen kann. Wir hatten ja die Einsetzung einer oder eines unabhängigen Landesbeauftragten für die Verwirklichung der Gleichstellung gefordert. Ich glaube, dass die Frauen damit besser gefahren wären. (Glocke)
Präsident Dr. Lutz Mohaupt (unterbrechend): Frau Abgeordnete, bitte den letzten Satz. Gabi Dobusch (fortfahrend): Solange der Berg der Versäumnisse nicht abgetragen ist, werden Sie uns Frauen hier immer wieder zum 8. März hören. Solange die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht erreicht ist, haken wir nach. Der Ball liegt bei Ihnen, greifen Sie ihn doch endlich auf. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)